Dienstag, 23. Oktober 2007

Die Schweizer Wahl

Die Schweizer haben ein neues Parlament gewählt. Gewählt wird in erster Linie per Post. Man bekommt grundsätzlich alle Unterlagen, die Listen und Wahlzettel zugesand und füllt sie zuhause aus! Nur die wenigsten Schweizer gehen am Sonntag in ein Wahllokal. Ob so das Wahlgeheimnis gewährleistet bleibt? Mir hat es jedenfalls so witzige Wahlwerbung in die Finger gespielt wie die von der Männerpartei, deren drei Kandidaten sich als gute Brettspieler oder Guinnesbuchrekordhalter im Rollensprint vorstellten.
Es gab einen heißen Wahlkampf mit ziemlich rassistischen Plakaten der SVP, mit Politikern, die sich für den Discounter Migros in Unterwäsche ablichten ließen, die von der Evangelischen Partei aus Protest überklebt wurden, und vor allem auch mit der gewalttätigen Störung der SVP-Wahlveranstaltung in Bern durch linke Autonome vor zwei Wochen.
Erstmals hat dabei eine Gruppierung nicht nur gegen die Veranstaltung einer anderen friedlich demonstriert, die Linken haben der SVP bei ihrer Demo versucht den Weg abzuschneiden, sind auf den Bundesplatz vor das Bundeshaus gezogen, wo die Bierzelte, Merchandisingstände und ähnliches für die Abschlußkundgebung aufgebaut waren. Die wurden dann ziemlich schnell angezündet, die Musikinstrumente auf der Bühne von Steinen zertrümmert und die überdimensionale Plastikmilchkanne wurde mitsammt der dorthin geflohenen Angestellen umgeworfen. Die Schweizer werteten dies einheitlich in allen Medien als Angriff auf die Demokratie und sind derartig agressive Ausfälle offensichtlich überhaupt nicht gewöhnt.
Für mich war interessant, daß Passanten die "Chaoten" ergriffen und bis zum Eintreffen der Polizei festhielten. Das hat mir wirklich imponiert, egal ob das Steinewerfen begründbar war oder nicht.
Man muß erklären, daß die Wahlplakate der SVP echt schockiernd waren. Ein Beispiel: Drei weiße Schafe schubsen ein schwarzes von der Schweizer Fahne. Darunter der Text: "Sicherhit schaffen". Als Unterstützung gab es auch Plakate, auf denen zu lesen war, wieviel Prozent aller Diebstäle, Morde oder Überfälle in der Schweiz von Ausländern begangen werden.
Die New York Times reagierte darauf mit einer Karrikatur, in der ein Schweizer an das Kreuz auf der Fahne Flügel malt, also ein Hakenkreuz aus der Schweizer Fahne malt. Das war ein echter Skandal und die Schweizer Politik wies darauf hin, daß sie gegen diese Zeichnung nichts unternehmen würde, um nicht noch darauf aufmerksam zu machen. Die Schweizer waren verwundert über diese Außenwahrnehmung ihres Landes.
Schließlich ist diese Partei, die SVP seit gestern stärkste Partei des Landes mit 27 %. Die Wahlbeteiligung war so hoch, wie lange nicht und auch die Grünen haben zugelegt. Die Neue Züricher Zeitung kommentiert, daß die Schweiz einfach dem europäischen Trend der Extreme nachhängt und sich sicher demnächst den großen Nachbarn angleichen und wieder zu einer großen Koaliton finden wird, nur eben verzögert im Vergleich zu den großen europäischen Nationen wie Deutschland.
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