Samstag, 28. Mai 2011

Ateliergedanken

Am vergangenen Freitag eröffnete in Basel auf dem Dreispitzareal, einem ehemaligen Industriegelände, die Oslo 8. Dabei handelt es sich um ein vormals industriell genutztes Gebäude, in welchem nun Dank dem Engagement der Christoph Merian Stiftung die Kultur zuhause ist. Das Haus der elektronischen Künste, Ausstellungsräume, eine Galerie für Photographie und Künstlerateliers. Über eine Kollegin, die als Artist in Residence ausstellen durfte, und eine weitere, die als Bühnenbildnerin eines der Ateliers bezogen hat, bin ich dort gewesen.
Welch ein Ort! Perfekt sanierte Bausubstanz, ein neuer Estrichboden, den man immerfort nur streicheln möchte, neue Fenster und Türen, neue sanitäre Anlagen, sogar Duschen und Behindertentoiletten und Lastenaufzüge. Es gab life Performances, Musik, Ansprachen und Apéro und natürlich viel Kunstvolk. Aber eine merkwürdige Atmosphäre. Alles doch recht satt und gesettelt. Die Künstler zahlen 500 CHF für ein kleines Atelier, für die großen entsprechend mehr. Das ist ein subventionierter Preis! Und überall diese bauliche Perfektion, diese typische Schweizer Überregulierung. Wenn ich an die Kreativen in Berlin denke, da genügte preiswerter Raum, diese Menschen anzuziehen, sie haben aus eigener Kraft etwas geschaffen, verändert und verbessert. Sie mußten nur gelassen werden. Hier wiederum dieses recht großzügige Angebot, welches ohne die Künstler entsteht und mit weißen Wänden und so gänzlich ohne eine Begrünung im Außenraum auskommt. Merkwürdige Überlegungen über Kreativität und ihre mögliche Förderung befallen mich. Das Umfeld muß kreativ sein, spannend und anregend. In sofern ist es gut, dieses Angebot zu schaffen, wo die Kreativen sich gegenseitig befördern und inspirieren können, aber muß es so perfekt sein? Ist nicht ein wenig mehr Freiraum eine Qualität, die Kräfte freisetzt und anregt?

Tags darauf hat eine andere Kollegin einen Tag der offenen Tür in ihrem Atelier im Aichelepark in Lörrach. Eine alte Remise in einem wundervollen Park neben der Villa Aichele. Vier Künstler, die in Eigenregie das Gebäude gefunden und von der Stadt gemietet haben. Jeder hat nach eigenem Bedarf die ehemaligen Garagen und Bedienstetenwohnungen in der malerisch verfallenen Fachwerkgebäude für seinen bedarf ausgebaut und etwas geschaffen. Die Stadt hat nur den Raum zu einem günstigen Preis überlassen. Behindertentoiletten und Lastenaufzüge gibt es nicht, auch eine funktionstüchtige Heizung habe ich nicht gesehen.Unterschiedlichste Räume mit Türmchen, Sprossenfenstern, großen öffenbaren Garagentüren zum beinahe im Freien arbeiten. Alles etwas improvisiert, alles zwischen Verfall und Aufbruch. Man spürt die geballte Kraft der vier, man möchte mittun und Wände streichen. Man spürt das pralle Leben.
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Berlin, Basel und ich

Ein Berliner in der Fremde

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