Sonntag, 6. Januar 2008

Backwerkphilosophien

Besuch zum Sonntag, der Trompetenfreund kam für einen Tag nach Basel. Als guter Gastgeber hatte ich Bündnerfleisch und Lachs zum Frühstück besorgt und als ich heute morgen die schon in überregionalen Zeitungen lobend erwähnte Bäckerei Brandl aufsuche, um Weggli (Kaiserbrötchen/Milchbrötchen), Schlumpi (Schrippen) und vor allem den preisgekrönten Guggelhof (kein Schreibfehler!) zu erstehen, ist sie so gut wie leer! Es hat nur noch Pralinées und drei Brötchen auf den Tablaren als ich an der Reihe bin. Die 70-jährige Inhaberin entschuldigt sich in bestem Baseldeutsch, daß sie sich fühlt, wie im Krieg, alles aus den Händen grissen, schon vor Stunden. Ich nicke verständnisvoll. Auf dem Heimweg fällt mir ein, daß ich gar nicht zuhause in Berlin bin und verständnisvoll nicken kann und stattdessen lieber hätte fragen sollen, wie sich der Krieg denn hier ausgewirkt hat.
Schließlich kann ich am Bahnhof noch etwas besonderes erstehen. Zwar keinen Guggelhof, auch keinen Butterzopf, wie man ihn in der Schweiz am Sonntag haben muß, sondern, weil heute der 6.1. ist, einen Dreikönigskuchen. Bei Brandls hatten schon Kunden vor mir danach gefragt, aber auch dies Gebäck, ach jeh, nicht mehr da. Und eigentlich ist Basel doch nicht katholisch sondern calvinistisch, was soll dieser Brauch hier, wundere ich mich. Aus Neugierde kaufe ich also diesen Milchbrötchenkranz mit Hagelzucker am Bahnhof und freue mich diebisch über die beigelegte vergoldete Pappkrone. In der Wohnung angekommen schlemmen wir genüßlich unser Frühstück und plötzlich breche ich mir fast einen Zahn aus. Beim Abbeißen habe ich eine eingebackene Königsfigur getroffen und traue mich nicht weiterzuessen, falls auch die anderen zwei Könige noch im Kuchen stecken. Dann erinnere ich mich an den englischen Plumpudding und daß dort ja auch ein Penny oä. drinsteckt und der "Finder" als Glückspilz im neuen Jahr eine Krone bekommt und trage nun die meine (allerdings am Abend, alleine und nur in der Wohnung) mit Stolz. ;)
524 mal gelesen

Freitag, 4. Januar 2008

Kurswechsel

Als Neujahrsgeschenk hat der Schweizer Franken im Vergleich zum Euro wieder an Wert verloren. So sehr, daß wir die Museumskasse heute umstellen mußten. Statt der bisher 60 Euro für 100 CHF zahlt man nun nur noch 55 Euro. Damit ist auch meine Miete wieder gesunken, denn ich verdiene Euro, das Museum zahlt nur auf ein deutsches Konto, die Miete und das Umweltabo werden in Franken fällig und ich habe am Monatsende eis bizeli gespart.
626 mal gelesen

Mittwoch, 2. Januar 2008

Premiere

Besuch in Basel! Ja, ein Teil der üblichen Sylvesterrunde hat es gewagt und die Nacht der Nächte von Berlin nach Basel verlegt! Großartig!
Die direkte Kollegin vom Museumsshop war zwar völlig verwundert wie wir aus Berlin anreisen könnten, um ausgerechnet in Basel den Jahreswechsel zu erleben, dabei hatten wir fünf tolle Tage hier... Basel erkunden, Rheinspaziergänge, Fährfahrt, Vesperblasen am Münster, Schokolade kaufen in rauen Mengen, dann die Besichtigungen der Fondation Beyeler, "meines" Museums, des Doms Arlesheim, des Goetheanums in Dornach... Und das war nur das Programm "drum herum".
Der Abend selbst mit feinen Menu und Bowle, vielen Luftschlangen, Bleigießen und Musik klang zumindest im Jahr 2007 lauter und witziger als die WG-Party über uns, vor Mitternacht haben wir allerdings das Partyzepter übergeben, um das Neue Jahr auf der Münsterpfalz zu begrüßen. Die ernüchternde Feststellung: Die Schweizer waren reichlich unemotional, geradzu prüde. Niemand hat sich umarmt oder irgendetwas gerufen, noch hat man den fremden Menschen unmittelbar neben sich ein Frohes Neues Jahr gewünscht. Wir sind dann etwas aus der Menge herausgegangen, um die anwesenden nicht durch Umarmungen zu schocken. Vielleicht habe ich es schon einmal erwähnt: Basel tickt anders. Das große Feuerwerk startete dementsprechend um 0.30 Uhr. Aber es war wunderschön, von einem Schiff im Rhein abgeschossen und ringsum an den Ufern und auf den Brücken die Menschen. Fast eine halbe Stunde schossen die Raketen in die Nacht hinein, dann trollten wir uns heimwärts. Dort hatte die WG-Party über mir mit Hilfe von Cocktails nd anderem ihren Höhepunkt erreicht, so daß es mir vergönnt wurde, tatächlich zwei Schweizer tanzen zu sehen. Den DJ wird's gefreut haben.

Ich wünsche Euch allen in Berlin, Wien, Potsdam, Greifswald, Stuttgart und anderswo ein frohes und glückliches neues Jahr!
424 mal gelesen

Samstag, 29. Dezember 2007

Nein, diesmal nicht

Hatte einen wunderbaren Weihnachtsbesuch in Berlin, vier Tage für Freunde, drei für die Familie, war frühstücken, im Theater, spazieren und immer wieder mit dem Auto die Frankfurter Alle rauf und runter. Toll!
War ja schon ganz gerührt, als ich in Basel auf den Bahnsteig kam und Hamburg-Altona angeschrieben stand. Dann beim Umsteigen endlich Berlin-Ostbahnhof. Herrlich, diese Schilder zu lesen und zu wissen: Das wird mein Zug!
Trotzdem muß man erwähnen, daß die Weihnachtszeit eine beliebte, aber keine empfehlenswerte Reisezeit ist. Unmengen alter Leute, denen man die Langeweile beim Bahnfahren durch Gespräche vertreiben soll oder Gepäckstücke irgendwohin heben. Auch wenn nicht alle eine Wiskeyfahne haben, sind sie in Massen nur schwer erträglich und nur noch zu toppen durch die ihre Aufsichtspflicht verletzenden Eltern hyperaktiver Kinder ohne akkustische Sensibilität.
Aber für Berlin und vor allem die schönen Tage und Begegnungen dort hat sich der Streß gelohnt. Schon bei der Fahrt durch Ostdeutschland endlich weite Ebenen, Dörfer mit mehrheitlich historischer Substanz und ein paar leerstehende Stallungen zu sehen, später die ersten Gründerzeitbauten in Berlin Spandau, den Hauptbahnhof, Reichstag, Fernsehturm und Kanzleramt und dann abgeholt werden vom Zug, um mit dem KuWi-Kleeblatt endlich mal wieder im Oxymoron zu sitzen... Schön!Und diesmal war mir nicht wehmütig, diesmal hab ich all die Zeit sehr genossen und bin ohne kleines Depri in Basel angekommen. Ich habe mich sogar auf das Vervollkommnen der eigenen vier Wände gefreut und auf Sylvester in der neuen Stadt.
Danke und Guten Rutsch!
365 mal gelesen

Montag, 17. Dezember 2007

Helvetismen - Substantive Nachtrag

Ich kann manche Zeitungen wirklch nur mit Mühe ertragen, aber die Sonntagszeitung in der Schweiz empfinde ich noch als guten Ersatz für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die ich in Berlin hatte. Gestern habe ich nun mit der Zeitung ein Schokoladenherzchen im Briefkasten mit Weihnachtsgrüßen von meiner Zeitungsverträgerin.
740 mal gelesen

Sonntag, 16. Dezember 2007

Dreimal werde ich noch wach...

...heißa, dann ist Reisetach! Am Mittwochmorgen besteige ich den Zug nach Berlin.... :)
349 mal gelesen

Samstag, 15. Dezember 2007

Listenstürmer

Ich bin so toll und ganz stolz auf mich. Am Donnerstag hatte ich frei und habe die "zu erledigen Liste" übererfüllt. Ich war beim Sicherheitsdepartement (Abteilung Migration) und habe Fotos von mir machen lassen und einen Antrag für eine Aufenthaltsbewilligung abgegeben (Verwirrung bei den Beamten: Ach, Sie arbeiten gar nicht in der Schweiz und wollen hier wohnen?), dann Weihnachtsbesorgungen gemacht und Dübel besorgt, um meine Hängeschränke in der Küche anzubringen. Das war dann zwar mit einem Quasi-Durchbruch ins Treppenhaus gekoppelt, da dieses und die Küche nur durch einen von zwei Farbschichten begrenzten Sandhaufen getrennt waren. Zum Glück hatte ich ausreichend Dübelmasse und am Ende sogar noch Zeit für ein Schläfchen, zum Duschen, Haarewaschen und Aufhübschen für mein erstes Konzert in Basel und es war echt großartig. Ein so enthusiastisches und fröhliches Weihnachtsoratorium hatte ich bisher noch nie mitgesungen (und das waren immerhin schon an die 20 Aufführungen!). Aber das beste am ganzen Tag war der Kauf von Adaptern zwischen Schukosteckern und Schweizer Steckdosen. Jetzt habe ich mehr als einen und kann z.B. am PC sitzen UND mir einen Tee kochen oder zum Klavierpielen auch eine Lampe einschalten oder Tee kochen UND Musik hören. All sowas eben. In den phantastischsten Kombinationen! Ganz toll!
524 mal gelesen

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Helvetismen 2 - Substantive

Ich bemerke, daß ich immer weniger bemerke und Gefahr laufe, dieser ebenso sprachwissenschaftlich interessanten wie auch unterhaltsamen Kategorie in meinem Blog kaum noch etwas hinzufügen zu können. Ein paar Helvetismen sind ja schon in meinen Sprachgebrauch übergegangen. Sie tummeln sich in meinem überaus gewählten und dialektfreien Hochdeutsch als liebenswerte Eindringlinge und verschleiern mehr und mehr ihre Herkunft.

Das auffälligste Problem bei den Substantiven ist sicherlich die Zuordnung des Geschlechtes und der somit zu wählende Artikel. Mit großer Freude wird alles in der Schweiz versächlicht wie:
das e-mail
das Tram
Es gibt aber auch umgekehrte Fälle, wie
der Marzipan oder
die Nutella (wird erläutert als die Nuß-Nougat-Creme...)
Problematischer wird die Vergabe von Bezeichnungen mit (für Norddeutsche) nicht nachvollziehbaren Wortstämmen, wie:
Velo (Fahrrad, aber das hat man echt schnell drauf)
Schaft (Kleiderschrank)
Tumbler (Trockner)
Bebbi-Säck (ein blauer Sack mit dem Logo der Stadt Basel, in den man seinen Hausmüll füllt und an bestimmten Tagen einfach vor die Tür stellt)

Oder die Verwendung von im Deutschen anders gebrauchten Wörtern:
Estrich (nicht die Ausgleichsmasse für einen Fußboden sondern der Dachboden)
Benz (nicht das Auto sondern ein männlicher Vorname oder aber in Bern auch ein Schaf! Eine tolle Parallele!)

Einige Worte klingen wirklich schön, wie
Nachtessen (bin jetzt paarmal statt zum Abendessen oder Abendbrot zu sowas eingeladen worden und finde, es klingt irgendwie romantischer, intimer),
Lehrtochter (eine Auszubildende, anscheinend mit viel persönlicher Fürsorge).

Verständigungsprobleme gibt es anfänglich auch bei den Wochentagen:
Mänti
Zischdig
Mittwuch
Dunschdig
Frytig
Samschtig
Sunntig
oder den Zahlen.

Viele Vokabeln sind auch dem Französische entlehnt und einige kenne ich auch noch von meinen Großeltern.
Trottoir (für Bürgersteig)
Duvet (für das Deckbett - wer ein solches benutzt schläft nordisch, im Gegensatz zu jenen, die sich zwischen zwei straff gespannte Laken pressen wie in Italien oder Frankreich)
Billet kennt wohl jeder.
Merci und excusée nicht zu vergessen und dann nicht französisch aussprechen, sondern immer schön auf der ersten Silbe betonen, wir sind hier schließlich in der Schweiz!

Besonders wirr wird es bei Lebensmitteln. Das kennen wir ja schon innerhalb Deutschlands bei Brötchen, Wienern oder Pfannkuchen. Die Helvetismen beziehen sich hier aber nicht nur auf regionale Spezialitäten, man hat sich offenbar auch bemüht, alle Gemüsesorten umzubenennen.
Fragt man nach Peperoni bekommt man z.B. Paprika. Will man Peperoni, muß man nach Peperochini fragen. Rote Beete wird hier Rande genannt, die Kartoffel Erdapfel oder Krumbeere, Erdbeeren sind Fraise wie überhaupt alle Beeren irgendwie anders heißen und man sie lieber irgendwo kaufen sollte, wo es Selbstbedienung gibt. Hühnchen ist grundsätzlich nur Poulet, die Roulade ist ein Fleischvogel und wenn das dann mit Stock auf der Speisekarte auftaucht, ist Kartoffelstock, also Kartoffelpürrée gemeint. Eine Stange ist ein Bier, ein Panasch oder Panaschée ein Alsterwasser.

Aber auch die Schweizer machen sich mitunter lustig über deutsche Vokabeln wie z.B. Führerschein. Dem in der Schweiz umgangssprachlich Fahrausweis genannten Papier ist im Deutschen (nach Meinung der Schweizer) die Vorliebe für Führer anstelle von Lenkern anzumerken. Dabei ist für mich ein Fahrausweis eher ein Billet für ein Tram und außerdem: Offiziell heißt die Fahrerlaubnis/Lenkerberechtigung hier Führerausweis. Ha!
777 mal gelesen

Berlin, Basel und ich

Ein Berliner in der Fremde

Aktuelle Beiträge

Mönch in der Zelle
Oh wie habe ich mich gefreut, den Effizienzdruck im...
Nachtreise - 16. Sep, 08:38
Rutschpartie am Hönggerberg
Was soll ich sagen: Ich bin glücklich! Das Wetter in...
Nachtreise - 16. Sep, 07:28
Leben im Zug
Als Berliner kann ich pendeln grundsätzlich ersteinmal...
Nachtreise - 15. Sep, 03:01
Leben vor dem Zug
Wenn man täglich eine lange Strecke pendelt, dann stellen...
Nachtreise - 16. Mai, 01:08
Freitags TGV
Die Schweiz ist ein Pendlerland. Ausserdem arbeiten...
Nachtreise - 15. Mai, 13:42

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Links

Suche

 

Status

Online seit 6563 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 16. Sep, 08:38

Credits


Berlin - Basel
Grenzgeschichten
Gute Gründe zu gehen
Helvetismen
Orgakram emotional betrachtet
Pendlergeschichten
Schweizer Leben
Tage wie dieser
WG-Leben
Zwischenleben
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren