Ein Morgen bei mir ist seit Jahren nur eine halbe Stunde zwischen Weckerklingeln und Haustürzuschlagen. Zweimal die Woche kommen 15 min zum Rasieren dazu. Alles ist durchorganisiert und ohne genauen Plan läuft doch alles immer gleich ab. Nur manchmal eben nicht. Plötzlich ist das Wetter doch wieder warm, man braucht eine andere Jacke als gestern und diese Feststellung hat weitreichende Konsequenzen. Vor allem, wenn Schlüssel, Portemonaie und Umweltticket darin sind. Ich bin heute dreimal in die Wohnung zurückgelaufen. Daß ich das Fehlen des Schlüssels vor der Wohnungstür bemerke ist klar - schön, daß die Wohnungstüren in der Schweiz außen eine Klinke und keinen Knauf haben (Merke: Schweizer brechen nicht ein, klauen auch nichts und sind überhaupt sehr redliche und anständige Leute). Daß ich die Noten für den Chor vergesse, ist ganz natürlich, daß es mir auf der Treppe einfällt weniger. Und schließlich das Portemonaie mit dem Schweizer Geld.
Beim Umsteigen von der Straßenbahn in den Bus nach Deutschland geht mir auf, daß das Umweltabokärtlein auch noch fein hübsch im Mantel zuhause geblieben ist, also muß ich beim Fahrer zerknirscht bezahlen und weiß schon jetzt, daß ich auch die Rückfahrt werde zahlen müssen....
Da im Museumscafé die Nachmittagsschicht nicht kommt, weil sie sich von einem Hund hat beißen lassen (rechte Hand +Tollwutgefahr), beschließe ich netterweise länger zu bleiben und einzuspringen. Mein Trinkgeld beträgt am Abend exact den doppelten Preis einer Busfahrkarte! Als ich aber in den Bus Richtung Basel steige und ordnungsgemäß zahlen will, fragt mich der Busfahrer, ob ich nicht ein Monatsticket hätte. Ich bejahe und muß zugeben, daß es zuhause ist. Er kennt mich und nimmt mich ohne zu zahlen mit. Aber das Beste ist, daß natürlich just an diesem Tag an der Grenze auch noch eine Fahrkartenkontrolle einsteigen muß. Aber auch hier komme ich dank des Busfahrers ungeschoren davon...
Gelobt sei die Provinz!
Nachtreise - 27. Mär, 23:36
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Dieses Ostern in Basel war in vielerlei Hinsicht ein besonderes. Es war der erste Karfreitag seit langem, an dem ich nicht im Berliner Dom oder einer anderen Kirche im Gottesdienst gesungen habe. Es war trotz meiner Museumsarbeit in Berlin der erste Ostersonntag, an dem ich gearbeitet habe. Außerdem war dieses das erste Ostern, das ich mit einem Moslem verbracht habe und das erste Ostern, an dem ich nicht gestüpert wurde, auch niemanden gestüpert habe. Aber, das letztere wird in Berlin nachgeholt!
Dafür war der Ostersonntag aber auch ein Jubiläum: Ich bin an diesem Tag genau ein halbes Jahr in Basel! Mit dem halben Jahr im Sommer 2003 wäre das nun schon ein komplettes Jahr mit Sommer und Winter! Das letzte Mal hatte ich in den sechs Monaten Basel für zwei Hochzeiten, einige wichtige Familiengeburtstage und eben auch Ostern verlassen. Und diesmal war ich zwischendurch nur zweimal in Berlin.
Außerdem ist meine Probezeit im Museum nun abgelaufen und ich bleibe laut Vertrag bis September 2009 hier!
Nun, da auch endlich alle Formalitäten mit Besteuerung und Krankenkassen geklärt sind, kann ich mich endlich auch ein wenig mehr um meine Bedürfnisse kümmern, wenn ich wie heute einen freien Tag habe. Ich würd mal sagen: Angekommen!
Nachtreise - 26. Mär, 15:46
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als ich mir Schuhe kaufen wollte und die Geschäfte nicht wie sonst am Do bis 20 Uhr auf hatten, sondern wie am Sa um 17 Uhr schlossen! Aber ich war dann zuhause, hab die Aufräumungen für den Osterbesuch beendet, war gerade am Lüften, als alle Kirchen Basels Ostern einläuteten, bin dann spontan zum gregoranischen Stundengebet in die Peterskirche gefahren, habe auf dem Heimweg an den schönen Opernabend gestern gedacht, an die Sonne und den blauen Himmel, obwohl heute Kälte angesagt war, hab daran gedacht, daß ich die nette Französin zum Mittagessen überreden konnte, daß meine Chefin mich früher nach hause ließ, an die kommenden freien Tage, dann habe ich voller Neugierde das mich seit Montag auf die Folter spannende Päckchen meiner Eltern geöffnet, die frischen Tulpen auf dem Tisch gesehen und mich nur noch auf Ostern gefreut.
Liebe Ostergrüße gehen nach Berlin, Greifswald, Potsdam, Wien und Basel!
Nachtreise - 20. Mär, 23:36
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Das wunderbare Entsorgungssystem der Schweiz hat einen festen Platz in allen Publikationen über die Eidgenossen. Daß die Mülltrennung hier anders funktioniert als in Berlin erwähnte ich schon. Hausmüll und Papier wird irgendwo in den kleinen Wohnungen aufbewahrt und zu festen Terminen auf die Straße gestellt, abgeholt oder vom Wind zerstreut. Glas und Pet-Flaschen bringt man zu quartierseigenen Recyclingstationen und auch Blechdosen. Und das ist dann überhaupt der große Spaß, man gibt die Dosen am Einwurf des Containers auf ein Förderband mit kleinen Metallzähnen, das ein klein wenig weiter hinten in eine Presse führt. Man dreht dann seitlich ein großeres Rad, um das Förderband in Bewegung zu setzen und die Dosen mit körpereigener Muskelkraft in dieser Presse breitzuquetschen. Meiner Ansicht nach sollte jeder Schweiztourist einmal die Möglichkeit solch archaischer Gewaltausübung bekommen. Es erklärt die Gemütsruhe und die Agressionslosigkeit der Schweizer. Ich bin immer ganz traurig, wenn meine wenigen Dosen alle aufgebraucht sind. Ich frage mich weiter, ob auch andere überlegen, was man nicht außer Blechdosen alles hübsch dort hineinstecken könnte...
Nachtreise - 18. Mär, 22:08
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Ich habe diese Woche eine Krankenversicherungskarte erhalten, mit der ich nun auch in der Schweiz Anspruch auf die gesetzlichen Grundleistungen habe. Ich habe die Karte zwar erst drei Tage, sie gilt aber schon ab dem 1.Februar 2008. Ich könnte jetzt rückwirkend krank werden.
Außerdem habe ich vom Quartiersmanagement meines Basler Wohnviertels eine Einladung zu einer Neuzuzügerbegrüssung erhalten. Diese wird an einem Sonntag im April stattfinden und auf dem Programm steht neben einem Apéro auch: Praktisches für den Alltag (Abfall, Grünflächen, Schulen), Interessantes aus der Geschichte und Gegenwart des Quartiers usw, sowie eine Filmvorführung "Welcome to Basel". Nebenbei gibt es Infostände aus den Bereichen Kultur, Freizeit, Öffentliches, Handel und "Rund ums Kind". Für letzteres wäre sogar ein Hort vorhanden.
Ich fühle mich ganz und gar wohlig umsorgt und habe beschlossen, in jedem Falle dabei zu sein...
Nachtreise - 15. Mär, 20:13
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Heute bei sonnigen 20°C im T-Shirt den größten und ältesten englischen Landschaftspark der Schweiz bewandert, am Di sollen es wieder nur 5°C und Regen werden.
Nachtreise - 15. Mär, 20:10
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Ich bin heute Zielscheibe einer deutschfeindlichen Beschimpfung geworden. Auf dem Heimweg mit einer netten deutschen Kollegin trafen wir im Tram eine liebe schweizer Kollegin mit ihrem Mann. Freudiges Erkennen und Austausch des Wohin und Woher in Hochdeutsch/Schriftdeutsch folgten. In der Bank vor mir dreht sich eine schlecht gekleidete alkoholisierte Frau von ca. 45 Jahren herum und fängt an ausgerechnet die schweizer Kollegin zu beschimpfen. Ich nehme ritterlich alles auf mich in dem ich lüge, der einzige Deutsche hier zu sein, die Schweizerin kontert mit Baseldütsch. Ich soll aufstehen und aussteigen und muß mir anhören, ich solle nach Israel gehen, da würde ich mehr Stutz verdienen (Solche Nazianspielungen sind DER Klassiker). Ich kann nur wahrheitsgetreu sagen, daß ich gar nicht in der Schweiz arbeite sondern hier nur Steuern zahle. Dann steigt die Frau aus.
Tja, unter den Ausländern in Basel (ca 30% Ausländeranteil, durchschnittlich 20% in der gesamten Schweiz) haben die Deutschen im vergangenen Jahr die Exjugoslaven überrundet und stellen inzwischen laut meiner Migrationszeitung die größte ausländische Gruppe dieser Stadt. Vor allem in akademischen (auch in Museen und Theatern) und medizinischen Berufen sind heute mehr Deutsche als Schweizer in Basel beschäftigt.
Als Berliner kann ich solche "Angriffe" loker an mir abprallen lassen, ich bin aus dortigen öffentlichen Verkehrsmitteln aber auch durch die Arbeit vor allem im Pergamonmuseum einiges gewöhnt. Trotzdem, die überall unterschwellige Angst der Schweizer vor dem "übermächtigen" großen Nachbarn ist deutlich da und es ist nicht immer leicht, damit umzugehen, zu den eher unbelieben Völkern zu gehören.
Nachtreise - 11. Mär, 21:23
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Aus sämtlichen Urlauben in Italien, Frankreich, auch Spanien war ich es gewohnt. Nie zuvor jedoch ist
soetwas, oder auch nur die Androhung eines solchen Zustandes in meinem dann doch so ungroßstädtischen Berlin vorgekommen. Ich bin etwas erstaunt und verfolge überrascht die chaotischen Verhältnisse, die eigentlich nur duch den alljährlich dann überraschenderweise doch immer wieder auftretenden "ersten Schnee" ein zwei Vormittage im Jahr vorkamen. Berlin ohne S-Bahn ist doch nicht Berlin!
Nachtreise - 11. Mär, 21:15
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Mit dem heutigen Abend habe ich die wichtigsten Basler Spielstätten gesehen, das Theater mit großer und kleiner Bühne, das Schauspielhaus, die Konzertkirche St. Martin (in der auch ich schon gesungen habe ;)) und den Musiksaal. Fehlen tut mir nur noch das Musical-Theater und ein paar der kleineren freien Spielstätten, die jedoch häufig aus Umnutzungen hervorgegangen sind.
Im Allgemeinen fallen einige anscheinend schweiztypische Dinge auf.
Die Abendveranstaltungen beginnen viel früher als in Berlin, locker ein bis zwei Stunden eher, wenn ich also wie heute die Werkseinführung zuvor noch mitmachen will, muß ich im Museum sogar früher gehen, um gegen 18 Uhr in Basel zu sein. Das ist mit den Kinos übrigens genau dasselbe. Um 18 oder 19 Uhr beginnt die Abend- um 21 Uhr üblicherweise die Spätvorstellung. Gegen 23 Uhr oder später, wie ich es aus Berlin kenne, würde hier kein Film starten. Um diese Zeit ist man (auch aufgrund der kürzeren Wege) längst wieder zuhause, denn auch die Kneipen schließen mehrheitlich zwischen Mitternacht und ein Uhr und das bis auf wenige Ausnahmen auch am Freitag oder Samstag. Dieser Zustand mag daran liegen, daß die Büroarbeitszeiten in der Schweiz viel früher beginnen, 8 Uhr ist eigentlich Usus, während in Berlin vielfach erst ab 10 Uhr mit besetzten Plätzen gerechnet werden kann...
Aber noch etwas ist interessant. Den Schweizer Spielstätten fehlt der Repräsentationswille. Sie kommen sämtlich in typisch eidgenössischer Bescheidenheit daher. Wo Berlin und manch andere deutsche Stadt ein Königliches (herzogliches usw.) Opernhaus, ein ebensolches Schauspielhaus und zahlreiche weitere damit wetteifernde bürgerliche Theater aufweisen, die mit Plüsch und Gold, Säulen und Lüstern und großen Treppenhäusern einen zugegebenen etwas zu sehr funkelnden Rahmen bieten, oder wie die Berliner Philharmonie oder das Schillertheater mit eleganter Moderne aufwarten, da sind Basels Bauten eher auf das Bühnengeschehen fixiert und eher solide als schön in der Ausstattung. Dazu zählen Sitzüberzüge aus breitem, hellen Cord ebenso wie unbequeme Sperrholzklappstühle in enger Reihung, wie ich sie nur von Studiobühnen oder Off-Theatern kannte. Einzig der Musiksaal hat nicht nur eine sehr gute Akkustik sondern ist in seinem ekklektizistischn Stil etwas festlicher, hat aber offensichtlich sein originales Vestibül gegen ein sehr enges 40er Jahre Treppenhaus eintauschen müssen. Die Erhabenheit, mit der die meisten Berliner Häuser den Besucher auf den Kunstgenuß einstimmen wollen, scheint in Basel weder historisch noch heute besonderen Stellenwert zu haben. Dazu muß man aber auch wissen, daß es hier natürlich nie einen Potentaten gab, der auch zum eigenen Ruhm solche Kunsttempel bauen ließ. Hier sind die Theater nur aus bürgerlichem Willen entstanden. Bis heute werden die schweizer Theater weniger subventioniert als die deutschen, haben aber trotz der deutlich höheren Preise (billigste Karten selten unter 50 CHF = 30 €)eine ziemlich gute Auslastung. Und ich habe mich in Basel auch noch nie über den Abend geärgert. Im Gegenteil würde ich jedem, unabhängig der musikalischen Vorbildung, den "Orfeo" in Basel empfehlen. Seit Jahren (und ich bin in Berlin häufig in der Oper gewesen) eine der besten Aufführungen, die ich gesehen habe. Diese Inszenierung überstrahlt dann auch den bescheidenen baulichen Rahmen...
Nachtreise - 9. Mär, 23:08
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Ich liebe es, ein Sonderfall zu sein. Heute habe ich meinen freien Tag nicht nur für den Abwasch der Reste des gestrigen Menus verwendet, nein, ich durfte auch mal wieder auf ein Basler Amt.
Schon vergangene Woche habe ich nach einer zweistündigen Sitzung, dem Nahtod meiner Personalverantwortlichen, die auch noch nach der technischen Einheit für Widerstand heißt, und einer Dreier-Telephonkonferenz mit ihr und dem zuständigen deutschen Finanzamt einen Antrag auf beschränkt einkommenssteuerplichtig gestellt, damit ich eben nicht in Deutschland, am Arbeitsort veranlagt werde. Steuerrechtlich gilt hier europaweit der Wohnort, für mich also auch noch ein anderer Staat. Krankenversicherung zahlt man hingegen am Arbeitsort... Tss...
Dem deutschen Finanzamt reicht meine Abmeldung von Berlin und der Schweizer Auslänerausweis nicht. Heute nun habe ich von der Kantonalen Steuerbehörde Basel Stadt eine Ansässigkeitsbescheinigung in dreifacher Ausfertigung eingeholt.
Ich war sehr beeindruckt, wie schnell alles von statten ging, ich mußte kaum warten, gar nicht soo viel erklären und habe sofort das richtige bekommen. Und das ohne irgendwelche Gebühren abzudrücken, wie ich es in vielen Fällen von den Berliner Behörden gewohnt bin...
Wenn sie jetzt noch dafür sorgen könnten, daß man sich am Treppengeländer der Behörde nicht so nen tierischen elektrischen Schlag einfängt, wäre es insgesamt betrachtet ne echt nette Angelegenheit gewesen.
Nachtreise - 6. Mär, 23:17
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Das kommende Wochenende planend, halte ich Rückblick auf das vergangene mit einer Reise nach Colmar in Frankreich und Freiburg in Deutschland, dem Besuch des Isenheimer Altares und eines phantastischen Chorkonzertes (Cantus Freiburg) sowie einer Schweizer Erstaufführung im Theater (Verbrennungen). Die kulturelle Askese ist nicht -wie befürchtet- eingetreten in Basel.
Ich habe nahezu alle neuen Aufführungen am hiesigen Theater vor oder unmittelbar nach der Premiere gesehen (besonders empfehlenswert: Orfeo), auch ein paar ältere Inszenierungen, dann auch im Kino einige Independent Filme, die hier auch ausschließlich in Originalsprache laufen, mal ganz zu schweigen von den vielen Basler Museen und ihren Sonderausstellungen...
Trotzdem, als ich am vergangenen Samstag durch Freiburg lief, eine Stadt von ähnlicher Größe wie Basel mit Uni und Musikhochschule, ging ich staunend die Straßen entlang, bewunderte die vielen Kneipen und Cafés, deren angenehm gedämpfte Beleuchtung und eher gemütliche statt überstylte Ausstattung. Ich war echt begeistert und überrascht darüber! Gebe ich nach und nach meine Berliner Großstadtmaßstäbe auf, wenn mich eine Stadt wie Freiburg, die ich schon immer schön, aber nie aufregend fand, so fasziniert? Am Ende des Abends mußte ich deswegen herzlich lachen.
Dieses Wochenende wird schlichter, geplant ist nur ein Symphoniekonzert in einem der angeblich akkustisch besten Säle Europas (sagen die Basler), dem hiesigen Musiksaal im Stadtkasino. Ich werde berichten.
Nachtreise - 6. Mär, 23:00
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