Nein, Berlin ist noch lange nicht aufgegeben. Aber für meine schöne Wohnung im P-berg ist die Zeit langsam abgelaufen. Die Untermieterin ist ausgezogen und ich habe meine Waschmaschine und den letzten Kleinkram herausgenommen. Vom Balkon aus über die Straße der netten Nachbarin gewunken, die wie immer beim Umtopfen, Eintopfen, Pflanzen betreuen und Telefonieren auf ihrem Balkon war. Ich weiß bis heute nicht, wie sie heißt, wir haben uns auch nie von Nahem gesehen, nur immer von Balkon zu Balkon...
Im Hausflur sind mir die fröhliche Kunststudentin, die Grafikerin, die katholischen Rentner mit dem türkischen Schwiegersohn und der Photograph von oben - von dem die gruselige Nachbarin immer behauptete, er zerhacke Menschen - begegnet und alle freuten sich, daß ich wieder da sei, man zog mich in die Wohnungen, bot mir Getränke an, die Cellistin der Philharmoniker spielte gegenüber auf ihrem Instrument und alles war soo friedlich. Basel ist auch friedlich, aber auf einem anderen Niveau. In Berlin sind Frieden und Ruhe nie langweilig...
Und vernünftigerweise muß ich die Wohnung aufgeben, dabei ist sie für mich (so leer sie auch ist) die letzte Möglichkeit, mich in mein altes Leben zu kuscheln. Ein Leben mit Menschen, die man lange kannte, in einer Stadt, deren Stimmung ich mir aussuchen konnte, wenn ich an die entsprechenden Orte fuhr. Die Schließung der größten Unvollkommenheit durch eine volle Stelle in einem Museum hat ein neues Leben gebracht. Ein neues Leben mit anderen Unvollkommenheiten.
Sind das zu hohe Ansprüche ans Leben oder einfach notwendige Motoren, um sich zu verändern und tatsächlich am Leben zu bleiben?
Nachtreise - 5. Mai, 18:27
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Berlin war mal wieder fällig. War über den ersten Mai 5 Tage in der großen Stadt, nahezu incognito, aber sehr entspannt. Das Haus meiner Eltern ist ein Feriendomizil am Rande der Stadt, wo man Hörspielen und Hörbüchern lauschen kann, eine breite Auswahl an Weltliteratur und Musik hat, aber auch gutes Essen und liebevolle Sorge genießen kann! Wunderbar.
Trotzdem, Berlin war noch nicht weit genug, das sträflich vernachlässigte Patenkind samt Großfamilie sollte mal wieder besucht werden, dafür ging es nach Greifswald. Also einmal Deutschland diagonal! Von Südwesten nach Nordosten. Ein riesiges Land, echt. Bis Berlin mit dem Zug, ab da per Mutti-Auto und immer mit dabei: Ein Elephant. Ja, ein Elephant. Kein Synonym für einen mitreisenden Menschen, nein, ein Elephant aus Polypropylen zum Sitzen und Klettern, größer als das 2,5-jährige Patenkind, in einer Kiste soo groß und unhandlich, daß ich zum Gespött zum Hingucker aller Mitreisenden wurde. Das gesamte Mutter-Kind-Abteil hat immer wieder fröhliche Ausflüge zur "Elephantenkiste" unternommen.
Mein Highlight: Endlich einmal wieder das Meer zu sehen (ja, ja, es war nur der Bodden, aber salzig und endlich mal kein Fluß!) und den flachen weiten Horizont genießen.
By the way: Braucht jemand Donnerkeile?
Nachtreise - 5. Mai, 18:02
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Tja, so ein schöner Urlaub wird nicht von allen neidlos hingenommen und wenn man schon eben erst ganz ausgeruht ist, kann man ja um so mehr arbeiten... So passiert ab einschließlich Gründonnerstag bis zum 1. Mai kaum ein freier Tag... ich fühle mich ja sonst immer sehr belastbar und fit, aber zwei halbe Stellen sind eben nicht 100% Arbeit sondern deutlich mehr, egal, ob es Spaß macht oder nicht. Jedenfalls habe ich auf die nette Dienstreise zur Möbelmesse nach Mailand verzichtet, um zwischendrin wenigstens einen Tag für mich zu haben. Auch Freundlichkeit braucht sich auf und ist nicht unendlich vorhanden, sogar bei mir. Und kurieren kann ich mich fast nur durch Alleinsein und Ruhe. Komisch, oder?
Nachtreise - 29. Apr, 17:50
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Nach und nach setzte ich meinen Neujahrsvorsatz in die Tat um. Dieses Jahr wird nicht nur die Hälfte der Urlaubstage genommen. Dieses Jahr will ich alle nehmen und noch den halben vom letzten Jahr. Nach einer knappen Woche Barcelona war ich nun für eine gute Woche in Paris! Uhh, wie toll! Endlich einmal wieder eine große Stadt!
Mit einem Zimmer im Marrais konnte ich in 10-15 min zu Fuß zur Notre Dame, zum Centre George Pompidou oder zum Louvre gelangen. Das Stadtzentrum ist auf kleinerer Fläche geballter als Berlin, was es zum Laufen und Radfahren sehr attraktiv macht. Die tolle Neuerung: Mit meiner Mitgliedschaft im Museumsverband hatte ich überall freien Eintritt und konnte an der Warteschlangen vorbei in nahezu alle Museen. trotzdem, es ist einfach viel zu viel zu sehen und obschon ich nun das dritte Mal da war, habe ich noch immer nicht alle Highlights meiner Liste besucht. Denn es gab an zwei Abenden auch großartige Opernbesuche, Wagners Feen im Chatelet und Verdis Macbeth in der Opera Bastille. Endlich mal wieder gute Sänger und Musiker, schönes Bühnenbild und gute Akkustik an jedem Abend. Na und Essen ist in Frankreich ebenso wichtig. Die Menu de jour, die eine kleine Auswahl an Vor-, Haupt und Nachspeisen bieten, sind so zusammengestellt, daß sie lecker und preiswert sind...
Es ist bei der Heimkehr dann aber deutlich auffallend, was mir in Basel anscheinend fehlt. Ohne es recht gemerkt zu haben, fiel mir in Paris auf, daß das bunte Leben auf der Straße, wie ich es von Berlin kenne, dort ebenso prägend für die Stadt ist. Es reicht, sich einfach einen Nachmittag ins Café zu setzen und Leute zu beobachten, um einen interessanten Tag zu haben. Leider geht das in Basel kaum. Und ich verstehe langsam den Schweizer Freund, der sich bei Besuchen in Berlin immer so wenig auf unsere Gespräche konzentrieren konnte und ständig auf die Leute schauen mußte. Ich bin auch fast schon so weit... :)
Aber vielleicht werde ich schon im Juni mit einer Dienstreise wieder in Paris sein. Und Anfang Mai und Mitte Juli auch mal wieder in Berlin.. Juhu!
Nachtreise - 10. Apr, 13:38
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Nein, ich bin gesund. Um mich herum gibt es ab und an Krankheitsfälle, im Museum, im Freundeskreis. In einem solchen Dreiländereck hat man ja eine erstaunliche Auswahl an Ärzten und Krankenkassen. Ich zum Beispiel bin in Deutschland versichert, kann aber alle in Deutschland "normalen" Leistungen in der Schweiz in Anspruch nehmen, obwohl z.B. in Schweizer Krankenversicherungen grundsätzlich nie Zahnarztbesuche eingeschlossen sind. Der Chorfreund ist ein Deutscher und in der Schweiz versichert. Er muß für jeden Arztbesuch zahlen. Einmal ins Ohr schauen 50 CHF zum Beispiel. Für seine Zahnschmerzen habe ich ihm einen Besuch bei meinem deutschen Zahnarzt vorgeschlagen. Es muß ja einen Grund haben, warum es in Weil am Rhein so viel mehr Zahnärzte gibt, als es für diese kleine Stadt notwendig wäre (oder sollte es hier im Süden genetisch bedingte Defekte geben?). Jedenfalls hat dieser Besuch nur 24 CHF gekostet. Da wird also nicht nur das Schweizer Gesundheitswesen nach und nach von Deutschen übernommen, nein, die Dienstleistungen werden aufgrund des Preisgefälles auch noch "outgesourced", wie auch zwischen Deutschland und Polen zu beobachten.
Aber es geht noch weiter. Die lustige Französin hat eine Entzündung am Finger. Das Gesundheitssystem Frankreichs funktioniert zentralistisch. Sie muß den Termin nehmen, der ihr vom Arzt angeboten wird, sie kann nicht mitbestimmen und obwohl sie in Frankreich auch immer gleich (wie in der Schweiz) zur Kasse gebeten wird, kommt sie sich vor, als würde sie in der Praxis nur stören. Wir schlagen ihr vor, in Deutschland zum Arzt zu gehen. Sie sucht einen passenden Termin mit der Arzthelferin aus, wird behandelt und zahlt nichts, weil hier die französische Kasse übernimmt, was sie im eigenen Land nicht zahlt. Ist doch klar, wo sie in Zukunft medizinisch versorgt wird, oder?
Da hebeln sich in solch einer Grenzsituation die nationalen Bürokratien gegenseitig auch im Gesundheitswesen aus.
Nachtreise - 10. Apr, 13:24
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Tja, was andere wöchentlich haben, ist in meinem jungen Berufsleben bisher eher die Ausnahme gewesen. Die Museumsarbeit fordert ihre Opfer, in meinem Fall die Wochenenden. Für gewöhnlich hatte ich an mindestens einem Tag zu arbeiten, aber das ist nun mit der neuen Stelle größtenteils vorbei! Das vergangene Wochenende war also eines der ersten zusammenhängenden freien in einer hoffentlich langen Folge. Mit Zoobesuch und Kino, mit einem Museumsbesuch (nein, nicht in "meinem") und zweimal ausgiebig frühstücken... Hmmm! Was für ein Leben!
Nachtreise - 15. Mär, 20:37
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Die neue Verantwortung fordert mich ziemlich. Nicht, daß die Arbeit schwer und anstrengend wäre, höchstens ungewohnt. Nein, eher dieses völlig auf sich gestellt sein ist anstrengend. Drei Nächte habe ich kaum schlafen können oder sehr merkwürdige Träume gehabt, passend zur Beförderung unter anderem von Fahrstühlen. Ich bin eben ein Team-Baustein.
Wie schön war es heute, gemeinsam mit der schönen Polin und der lustigen Französin eine Kinderführung zu konzipieren. Jaahh! Schickt nur Horden von Kindern zu uns! Ich bin schon ganz gespannt, wie es wird!
Nachtreise - 24. Feb, 23:34
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Ich lebe gerne in der Schweiz, ich mag ihre Ähnlichkeit mit Ostdeutschland, das Selbstverständnis des täglichen Lebens und die Ruhe. Aber, ich muß auch sagen, daß meine erste verliebte Blauäugigkeit dem Land und dieser Stadt gegenüber schon gewichen ist und ich inzwischen durchaus andere Seiten kennengelernt habe.
Wie schön ist es dann, wenn man einen Schweizfan zu Besuch hat. Jemanden, der die Vorteile zu schätzen weiß, der den Käse so liebt wie ich und die Schokolade, der in der Gediegenheit Gemütlichkeit entdeckt und in der Langeweile entspannte Atmosphäre, mit dem man die Lokale ausprobieren kann, in denen es (hier zumindest) mehrheitlich eine bodenständige Schweizer Küche gibt und der schwärmt und mit dem Blick aus meinem Berlin mich wieder all die Vorteile sehen läßt. Und wenn ich dann aus dem Museum in die wieder leere Wohnung zurückkehre und das Bett abgezogen und der Abwasch gemacht ist, nenne ich das einen rundum gelungenen Besuch!
Nachtreise - 20. Feb, 23:23
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Basel ist heiß umkämpft. Winter und Frühling haben noch keinen Sieger ausgemacht. Einen Tag schneit es, am nächsten sind knapp 10 Grad und Sonnenschein. So geht das seit Tagen! Ich habe ja einen heimlichen Wunschkandidaten, denn auch wenn ich im letzten Jahr den Mangel an Schnee wieder und wieder beklagt habe, in diesem Winter gab es auch für mich ganz ausreichend viel von der weißen Pracht...
Nachtreise - 14. Feb, 12:53
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Nun, nach anderthalb Jahren im Museum werde ich ab Montag in der Abteilung, in der ich vor 6 Jahren ein Praktikum absolviert habe, Abteilungsleiter sein. Komisch, oder?
Nachtreise - 13. Feb, 19:49
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Was die Museen und privaten Sammlungen angeht, ist Basel eine verwöhnte Stadt. Hier gibt es eine hohe Dichte an exquisiten Kunstwerken, die in keinem Verhältnis zur Größe der Stadt steht. Auch das Theater ist dank Herrn Marthalers Zeit am Hause noch immer berühmt und es lohnt sich, ab und an vorbeizuschauen, vor allem da das Repertoire von Saison zu Saison wechselt und (im Gegensatz zu Berlin) kaum länger als eine Spielzeit gegeben wird. Hochgelobt in dieser Spielzeit Wagners Fliegender Holländer, was mir am Samstag meine erstes Wagner-Opernerlebnis bescherte. Mit den hiesigen Sängern bin ich ja nie so ganz zufrieden und auch das Orchester, welches durch die Basler Symphoniker gestellt wird und eben kein hauseigenes Opernorchester ist, reichte bisher nie an die der Berliner Häuser heran. Aber die Bühnenbilder! Die Bühnenbilder zeigen, daß nicht nur Phantasie und mehr Geld als in der deutschen Hauptstadt zur Verfügung stehen. Beim Fliegenden Holländer wird auch mittels dieses Bühnenbildes erzählt. Die gesamte Traum- und Legendenwelt wird in ein großes Gemälde hineinverlegt, welches im "realen" Raum hängt. Alle irrealen Szenen spielen dort. Großartig, simpel und verständnisunterstützend.
Am Montag hingegen in Stadtcasino endlich einmal wieder ein Konzert. Wagner und Schostakovitsch (letzterer wird hier sehr häufig gespielt) interpretiert vom Königlichen Concertgebouw-Orchester unter Marris Jansons. Bestimmt zwei Jahre (mindestens seit meiner Ankunft in Basel) habe ich kein Konzert mehr gehört, was mich derartig gerührt hat. Die Tannhäuserouvertüre am Beginn des Abends mit so reinen Blechbläsern, ein ausgewogener weicher Klang auch im fortissimo...
Ich habe einfach mal wieder bemerkt, wie selten ich hier so großartig interpretierte Musik hören darf. In Berlin ist das eher selbstverständlich. Da wird tendenziell auch weniger applaudiert. Die sonst so reservierten Schweizer sind im Theater und Konzert immer recht ausdauernd beim Klatschen. Aber wenn das weltbeste Orchester (das Feuilleton sagt, sie wären besser als die Berliner und Wiener Philharmoniker) spielt, kennen die Helveten kein Halten mehr, stehende Ovationen, nie enden wollender Applaus, bis die Musiker einfach im tobenden Beifall gegangen sind...
Nachtreise - 10. Feb, 19:26
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