Die Schweizer vergleichen gern. Anders als in Deutschen Nachrichten bezieht man neue Ereignisse im Ausland immer stark auf das Innland. Gerne wird gesagt, wo die Schweiz einem ihrer großen Nachbarn (allen voran Deutschland) überlegen ist, aber auch, wo noch Nachholbedarf besteht.
Die Nachrichten zu der nuklearen Problematik in Japan bestehen zu mehr als einem Drittel aus der Übertragung dieses Szenarios auf die Schweiz. Hier gibt es auf 7,5 Millionen Einwohner im ganzen Land 5 Atomkraftwerke, drei weitere sollen demnächst gebaut werden. Deutschland hingegen hat auf 80 Millionen Einwohner 17 Atomkraftwerke, hätten wir die Dichte der Schweiz wären es knapp 50! Wenn die weiteren drei Atomkraftwerke hier bei den Eidgenossen gebaut werden, gäbe es für pro eine Millionen Einwohner mehr als ein Werk, auf Deutschland übertragen hieße das 80 Atomkraftwerke. Ich kann nur hoffen, dass der Atomausstieg in Deutschland nun doch bald möglich ist. In der Schweiz werden die Bewilligungen zunächst ausgesetzt und die Zulassungsverfahren werden geprüft und verändert.
Vier der bestehenden Schweizer Atomkraftwerke stehen im östlichen Basler Nachbarkanton Aargau (nahe der deutschen Grenze), eines bei Bern. Dabei ist der Oberrheingraben, an welchem Basel liegt eine Erdbebenzone. Immer wieder gibt es hier kleinere Beben. Nun gibt es auf der anderen Seite der Stadt im Nordwesten ein elsässisches Atomkraftwerk, das älteste Kraftwerk Frankreichs. Dass solche Bauten überhaupt in Grenznähe erlaubt sind, erstaunt mich.
Nachtreise - 15. Mär, 19:32
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Heute war wieder ein wunderschöner Tag, diesmal wegen des Berlin-Wetters hier in Basel. Kühl bis kalt, aber knallesonnig und klarblau ohne Wölkchen. So muß es sein. Auf den ewigen Hochnebel, der es uns schön kuschelig warm aber depressiv dunkel macht, kann ich gern verzichten, wenn ich ein Berliner Wetter dafür kriege!
Ich scheine so viel darüber zu jammern, daß ich heute sogar schon von Kollegen darauf angesprochen wurde, ob dies das Wetter sei, von welchem ich immer schwärmen würde. So ein Berliner Jung trägt sein Herz eben auf der Zunge.
Nachtreise - 2. Mär, 20:58
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für alle, die promovieren oder promoviert haben.
http://www.youtube.com/watch?v=zQPqUeT6E1Y
Nachtreise - 1. Mär, 20:02
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Eine kurze Dienstreise nach Berlin. Drei Tage in der Stadt um zu lernen, Berufskollegen zu treffen und eine erstarkende Selbstverständlichkeit für meine Arbeit zu finden.
Wenn man im Museum der einzige mit einem bestimmten Aufgabenfeld ist, fühlt es sich sehr hilfreich an, den Austausch zu Kollegen aus ganz Deutschland und der Schweiz zu pflegen. Das ist ein psychologisches aber auch fachliches Aufatmen, man wird vom Exoten und Einzelkämpfer wieder zum Teil einer Gruppe. Das ist auch mal sehr angenehm.
Weniger angenehm ist die wenige Zeit, die am Rande für die große Stadt bleibt, für Familie und liebe Menschen. Aber für zweimal Frühstücken und Atmosphäre tanken hat es zum Glück gerade noch gereicht...
Mit frisch aufgeladenen Batterien geht es zurück in den warmen Süden!
Nachtreise - 21. Feb, 19:56
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Als ich über den Jahreswechsel in München weilte, saß ich jeden Morgen zum Frühstück und auch sonst gern in diversen Cafés und genoß das Frühstücksangebot, und die Münchner Preise (daß ich letzteres als Berliner einmal sagen würde, ist mir auch nicht gesungen worden...). Auch in München weilte unter anderem die Schweizer Chorfreundin, die meine Frühstücksfreuden gerne teilt. Eines Tages in einem studentischen Café fiel uns beim Lesen der Speisekarte etwas auf, ich erbot mich, die Bedienung zu fragen: "Was ist ein Ofenschlüpfer?" Mir wurde höflich geantwortet, das sei ähnlich wie ein "Scheiterhaufen". Auf der Schweizerin Frage, was ein "Scheiterhaufen" sei antwortet die Bedienung genervt: "Na oan Ofenschlüpfer halt!" Ich versuche es höflich und frage nach den Zutaten. Aha, eine Mehlspeise, in Milch gewendet und gebacken, ich ahne es! Das müssen "Arme Ritter" sein. Auch diese Erklärung hilft der Schweizerin nicht. Ich beschreibe noch einmal. Plötzlich ruft sie laut aus: "Eine Fotzelschnitte!"
Ich sitze also in München und ertrage mal wieder, daß die Blicke eines ganzen Lokals auf mich und meine Begleitung gerichtet sind. Daß diese Helvetismen aber auch immer wieder so zweideutig sein müssen...
Uijuijui und nee aber auch...
Nachtreise - 14. Feb, 19:34
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Heute morgen im Bus. Wir sind vier, darunter drei Schweizer und ich Deutscher. Eine der Schweizerinnen erklärt, daß heute ein ganz besonderer Tag ist, denn heute vor 40 Jahren ist das Frauenwahlrecht eingeführt worden. Also genaugenommen am 16. März im Jahr 1971.
Schlimm genug eigentlich, doch mir fällt ein, daß ich einstmals gelesen habe, daß der letzte Kanton, Appenzell-Innerrhoden, Anfang der 90er Jahre und entgegen der Schweizer Verfassung gezwungen wurde, das Frauenwahlrecht einzuführen.
Die Schweizer bejahen das, denken aber lieber an den Tag, an dem in der ersten eidgenössischen Abstimmung insgesamt für das Frauenstimmrecht entschieden wurde. Damals 1971 war das Frauenwahlrecht in ganz Europa durchgesetzt (Deutschland 1918, Türkei 1934). Die Schweiz und Lichtenstein waren die einzigen europäischen Länder, die zu diesem Zeitpunkt kein Frauenstimmrecht hatten. Die Abstimmung 1971 fiel in den einzelnen Kantonen sehr unterschiedlich aus. Wie immer gab es ein West-Ost-Gefälle. Je weiter westlich um so positiver die Ergebnisse (Basel bei über 90% damals) je weiter östlich, um so weniger Zustimmung, in Appenzell-Innerrhoden z.B. unter 20 % dafür. So dauerte es weitere 20 Jahre, bis Kanton für Kanton in der gesamten Schweiz das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Immerhin mußten die allein stimmberechtigten Männer mehrheitlich dafür stimmen, was aber in einigen Kantonen lange auf sich warten ließ. Zum Teil so lange, daß der Bundesrat auf Drängen der Menschenrechtsorganisationen den letzten Kanton dazu zwingen mußte, das Wahlrecht für Frauen einzuführen. Das Dilemma war, daß die eidgenössische Verfassung inzwischen zugunsten des Frauenstimmrechts geändert worden war, daß aber gleichzeitig der Bund den Kantonen laut Verfassung auch in diesen Dingen keine Vorschriften machen kann, es muss eine demokratische Entscheidung vorliegen. Man nahm im November 1990 den geringeren Verfassungsbruch in Kauf und führte das Frauenwahlrecht nun auch im letzten Kanton ein. Vor 21 Jahren. Sechs Jahre nachdem Lichtenstein 1984 als letztes europäisches Land das Frauenstimmrecht eingeführt hatte.
Selbstverständlich und von allen gutgeheißen ist es aber deshalb noch nicht. Immer wieder gibt es merkwürdige Äußerungen, die uns Deutschen das Gefühl geben, vor unseren eigenen Großeltern zu leben.
Nachtreise - 9. Feb, 21:56
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Wir Deutschen lernen ja durchaus schnell, dass das Schweizerdeutsche eine dem Deutschen verwandte Sprache ist, aber überraschenderweise dem modernen Hochdeutsch viel weniger verwandt als wir glauben. Die Schweizer haben sich Entlehnungen anderer Sprachen bewahrt wie Goali für den Torwart im Fußball, wo man auch Matsch sagt (nicht englisch ausgesprochen Mätsch, sondern wie gerade geschrieben) oder aus dem Französischen das Trottoire für den Bürgersteig oder Gehweg (wie wir seit der Sprachbereinigung des Dritten Reiches in Deutschland sagen), den Coiffeur oder das allgegenwärtige Merci.
Aber neben dieser gefühlten Weltläufigkeit gibt es auch den Regional- oder eher den Lokalstolz, der sprachlich gepflegt wird. In Deutschland kennen wir vor allem für Backwaren wie Brötchen, Semmeln oder Schrippen solche Eigenheiten. Bringt man Schweizer jedoch in geselliger Runde auf dieses Thema hören sie gar nicht mehr auf und überschlagen sich mit den abstrusesten Vokabeln. Ziel ist, daß jeder mindestens eine weiß, die auch die anderen Schweizer nicht kennen.
Aber, man kann sich nun mit einem Sprachatlas auf solche Runden vorbereiten. Ein paar Karten für die lokale Verbreitung der schönsten Helvetismen gibt es hier (für die interessanten Worte bitte etwas nach unten scrolen):
http://ofv.ch/index.php?action=titel_detail&id=14315
Nun, ich als Norddeutscher liebe den Appelgriepsch und dazu einen frischen Knust.
Nachtreise - 2. Feb, 17:15
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Die Schweizer stimmen gern ab. Immer wieder auch über eher lokale Themen. Am 13. Februar z.B. wird es in Baselland (wie Basel nur ein Halbkanton, aber immerhin ein Kanton und seit dem Bruderkrieg 1833 nicht mit Basel-Stadt zu verwechseln!) um das Basler Theater gehen und ob der Landkanton für das in der Stadt befindliche Theater die Subventionen erhöhen soll.
Immer wieder geht es darum. Basel-Stadt bietet mehrere Zentrumsfunktionen wie Museen und Theater an und subventioniert sie, wenn auch in kleinerem Umfang, als das in Deutschland üblich ist. Die Bewohner der umliegenden Landkantone, vor allem aus Baselland nutzen diese Infrastruktur, zahlen aber weit weniger kantonale Steuern. Baselland unterstützt das Theater natürlich bereits, seit 20 Jahren sei die Unterstützung aber nicht erhöht worden, sagt das Theater. Es wurden bereits Stimmen laut, dass Einwohner von Basel Stadt und Baselland Eintrittskarten zu verschiedenen Preisen sollten. Das stelle ich mir organisatorisch nahezu unmöglich vor.
Nachdem das Theater zum zweiten Mal in Folge Opernhaus des Jahres wurde, hat zumindest Basel-Stadt eingewilligt, seine Subventionen zu erhöhen, in Baselland wurde von der SVP eine Volksinitiative lanciert, um den Souverän entscheiden zu lassen. Üblicherweise spart das schweizerische Stimmvolk gern. Darauf verläßt sich die Politik.
Daher ruft das Theater alle Sympathisanten auf, ihre Bekannten in Baselland für eine Pro-Theater-Abstimmung zu mobilisieren. Das Theater hat in Baselland plakatiert, die Gegner ebenso. "To pay or not to pay - that is the question!" Das Theater macht nach jeder (!) Vorstellung eine Ansage zum Thema, in welcher beteuert wird, dass die 17 Millionen Erhöhung auf vier Jahre gerechnet sind und nicht einmal die Teuerung seit der letzten Subventionserhöhung ausgleichen würden. Das letzte Mal heute bei der Pique Dame gehört. Trotzdem habe ich in Basel regelmäßig über die vergleichsweise bombastischen Bühnenbilder gestaunt, die auch selten mehr als 10 Mal verwendet werden, da das Theater eben nicht in einer Millionenstadt liegt, wo man aber verglichen mit Beispielen aus Berlin auch mit deutlich weniger Geld auskommen muß.
Eine heikle Frage. Entschieden wird am 13. Februar, ich als Bewohner von Basel Stadt und sowieso als Ausländer trage keine Entscheidungsgewalt sondern einen Button: "Ja zu unserem Theater!"
Nachtreise - 28. Jan, 23:42
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