Schweizer Leben
Bin mal wieder beim großen Konkurrenten gewesen. War in Zürich. Als Basler muß man Zürich hassen. Als der Chorfreund neben mir vom Bahnhof zum See die Bahnhofstraße entlangspazierte und wieder von der größten schweizer Stadt zu schwärmen begann, habe ich in einem plötzlichen Anfall von Basler-Patriotismus und einer typischen Berliner Großstädter-Arroganz den Drang verspürt, ihm Zürich madig zu machen. Hab ihn zum Verstummen gebracht und hinterher bei einer realistischeren Betrachtung (typisch ich: erst emotional, dann rational) mußte ich sehr über mich schmunzeln. Denn natürlich ist Zürich größer als Basel, die Geschäfte haben länger geöffnet, die Menschen scheinen eleganter gkleidet zu sein. Da Zürich (anders als Basel, welches schon im Mittelalter groß war) erst zum Ende des 19 Jh zu wachsen begann, sind viele der Gebäude und Straßenfluchten großzügiger, dazu der wunderbare Blick über den See... Aber: Basel hat sogar objektiv betrachtet die besseren Museen!
Warum aber waren wir in Zürich? Wir waren in der Oper, dem wichtigsten Haus der Schweiz, zur Volksoper. Die Theaterkarten sind gerade im Vergleich zu Berlin schwindelerregend teuer in der Schweiz. In Zürich also erst recht. Der Lebensmitteldiscounter Migros kauft etwa zehn Vorstellungen pro Saison komplett auf und gibt die Karten zu weniger als dem halben Originalpreis weiter, was in meinem Fall 45 CHF waren (ca. 30,- €). Ein wie ich finde äußerst gutes und soziales Angebot für hiesige Verhältnisse. In das Programm der Volksoper werden sämtliche aktuellen Produktionen aufgenommen, wir sahen die zwei Einakter "Il secreto di Susanna" und "Gianni Schicci".
Desweiteren habe ich ja am Basler Theater ein Studentenabo, wo wir als Gruppe für 7 Vorstellungen im Voraus je 120 CHF gezahlt haben (80,-€). So habe ich wenigstens die neuesten Produktionen hier zu einem unschlagbaren Preis gesehen!
Und bei manchen Veranstaltungen hatte ich auch einfach Glück: Im Stadtcasino waren mir und einer Chorfreundin die Karten einfach zu teuer, da sagte uns die Dame an der Kasse, eine Abonentin hätte Ihre Karten für diesen Abend zurückgegeben mit dem Wunsch, sie an zwei Studenten zu verschenken. Und es waren herrliche Plätze! Diese Woche stand ich bei einem Konzert im Volkshaus zufällig hinter einer Frau, die mir ihr zweites Freiticket anbot. Also: Glück muß man haben, dann ist die Schweiz auch erschwinglich... ;)
Nachtreise - 13. Nov, 15:10
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Nachdem ich die Diskussionen in Deutschland bereits vor knapp zwei Jahren mitgemacht habe, wird seit meiner Ankunft in der Schweiz fleißig über daselbe Thema debattiert. Und auch in der sehr toleranten Schweiz schlägt das Pendel nach und nach für den Schutz der Passivraucher aus. Ein Kanton nach dem anderen beschließt in kantonalen Volksabstimmungen unterschiedlich starke Rauchverbote. Nachdem Bern vor wenigen Wochen als siebter Kanton für ein Verbot des Rauchens in Lokalen abgestimmt hat, haben gestern die Bürger von
Basel und Zürich für ein Verbot des Rauchens in Restaurants abgestimmt. Ein einziger Kanton, Nidwalden, ausgerechnet aus der deutschen
Innerschweiz hat bisher nicht für ein Verbot gestimmt sondern für eine freiwillige Regelung der Wirte. Das Bundesparlament zögert noch mit einer nationalen Lösung.
Was schon in Deutschland irrsinnig ist, weil man bemerkt, daß jedes Bundesland seine eigenen Regeln hat, wie und wo ein Rauchverbot umgesetzt wird, ist in der Schweiz wegen der geringen Kantonsgrößen besonders absurd. Womöglich wird sich von den strengen zu den weniger strengen Kantonen am Wochenende so etwas wie ein "Rauchtourismus" entwickeln...
Nachtreise - 29. Sep, 12:14
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Daß frühes Aufstehen grundsätzlich nicht toll ist, wußte ich schon immer. Wenn der Wecker vor 8 Uhr klingelt, was auch bei einer Arbeit im Museum mit Öffnungszeiten von 10-18 Uhr durchaus häufiger vorkommen kann, weil irgendwelche Japaner unbedingt um 8 schon eine Führung buchen müssen, wenn also der Wecker vor 8 Uhr klingelt ist das immer ein wenig ein Grund für schlechte Laune bei mir. Vielleicht verständlich, wenn man weiß, daß ich häufiger mal erst um 20 Uhr zuhause bin. Heute wohl sogar erst nach 21 Uhr. Um so erstaunlicher, daß ich immer schon kurz nach 8 putzmunter bin. Sogar an einem Tag mit kleiner Ausschlafoption wie heute schon eine halbe Stunde später den Monsterabwasch erledigt und die Wäsche abgenommen und im Schrank habe. Es gibt hier eine wunderbare Radiosendung von DRS 2, dem öffentlich rechtlichen deutschschweizer Kulturradio, die Matinata. Täglich, auch am Wochenende, von 8-9 Uhr. Normalerweise höre ich den größten Teil auf dem Weg ins Museum beim Fahrradfahren. Heute mal zuhause als Unterstützung der Haushaltstätigkeiten. Radiohören kann süchtig machen und es muß nicht nur immer mein Berliner Radio Eins sein.
Nachtreise - 25. Sep, 09:06
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Entgegen aller Vorurteile ist die Schweiz gegen den Rest der Welt nicht immer langsam (wie unter anderem auch bei den Spermien vor allem der Deutsch-Schweizer
nachgewiesen wurde). Am 10. September 2008 soll in Genf der Teilchenbeschleuniger am Cern eingeschaltet werden. Dagagen wurde im März Klage eingereicht. Begründung: Beim Einschalten von Cern würde der Weltuntergang provoziert werden. Genaueres findet Ihr
hier. Damit wäre die Schweiz beim Weltuntergang erster. Wer hätte das gedacht. Aber zu verdanken ist das natülich mal wieder den Romands, den französischsprachigen Schweizern.
Zur Feier des Tages habe ich mir einen kleinen Sonnenbrand geholt...
Nachtreise - 30. Aug, 21:35
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Am 1. August ist Schweizer Nationalfeiertag. Es ist dises Jahr das dritte Mal, daß ich dieses Ereignis hier erlebe. Anders als den 3. Oktober in Deutschland kann ich den 1. August in der Schweiz sehr genießen. Obwohl ich durch meine Arbeit in Deutschland nicht soo viel von dem freien Tag habe. Nur das Gefühl von einem freien Tag, für den ich dann aber nicht einmal Feiertagszuschlag bekomme... Als ich mich auf den Weg zum Museum machte, war Basel nämlich noch völlig verschlafen. Plötzlich aber, nach Passieren der Grenze herrschte rege Geschäfigkeit, Verkehr und Menschen, irgendwie schizzophren. Im Museum dann nach und nach großer Andrang wegen des langen Wochenendes in der Schweiz. Dabei war ich doch recht müde, denn: "Basel tickt anders" lautet der Slogan meiner Stadt und daher feiert Basel den Nationalfeiertag seit dem Jahr 2000 vor. Hier gibt es die Grillstände für Nationalwurst und ein gewaltiges Feuerwerk schon am Abend vorher, also am 31.
Und diese Zeremonie muß hier mal kurz beschrieben werden. Man versammelt sich ab spätestens 19 Uhr am Rhein, obwohl das Feuerwerk immer erst um 23 Uhr beginnt (die Schweizer sind pünktlich und haben das, was den Deutschen abhanden kam: Nationalstolz). Diese Zeit des Wartens wird durch mannigfache Aktivitäten vertrieben. Die Leute bringen Pique-nique-Körbe mit, es gibt Buvetten, die Alkoholika und Würstchen verkaufen und auf dem Rhein gibt es kleinere Amusements wie Fallschirmspringer, Wasserski, diesmal außerdem ein Schlauchbootrennen und und die Show der Wasserfeuerwehr, die mit mehreren Fontänen begeistert. Seit einigen Jahren gibt es Im Fluss, ein Floß, auf welchem jeden Abend vor allem Schweizer Bands für 2-3 Wochen Konzerte geben. Man kann am Rheinufer sitzen und kostenlos zuhören, es gab sogar nen Karaokeabend.
Damit verbringt man also die Zeit, bis die Show beginnt. Das erste große Feuerwerk, welches von Großbasler Seite (Münsterseite) gegen 22 Uhr beginnt wird vom Basler Deig (heißt so viel wie Teig = klebrig und zusammenhaltend) gestiftet. Das sind die wohlhabenden Basler Familien, die (vergleichbar dem Berliner Filz vielleicht) alteingesessen und in vielen offiziellen und ehrenamtlichen Positionen die Geschicke der Stadt leiten. Das ist im Vergleich zu anderen Schweizer Städten ne absolute Basler Eigenart. Man kann an den kleinen Sequenzen des Feuerwerks erahnen, wieviele der Familien sich beteiligen, man sieht an Hand der Farben und Eleganz der Feuerwerkskörper jeweils, ob es sich um neureiche oder altehrwürdige Familien handelt. Die Zeitungen kommentieren an den Folgetagen.
Anschließend startet die Leprahilfe eine schöne Aktion. Sie gibt zuvor die Möglichkeit, Spenden in Form von Sternen zu kaufen. Das sind kleine Miniheißluftballons, die mit Blinklichtern ausgestattet über dem Rhein losgelassen werden und im Abendhimmel wie ein großer Sternenhaufen mit dem Wind von dannen ziehen. Wunderschön!
Und dann endlich lang erwartet das große städtische Höhenfeuerwerk, welches von zwei Schiffen im Rhein abgeschossen wird. 30-45 Minuten dauert dieses bombastische Schauspiel. Vielleicht ein wenig protzig, auch vielfach kritisiert, aber ich mag es leber als die vielen kleinen Privatraketen. Es ist wie Sylvester im Sommer...
Und: Basel ist Trendsetter. Immer mehr Schweizer Städte tun es Basel inzwischen gleich, denn man muß für das Feuerwerk aufbleiben, bis es dunkel ist und der Schweizer steht gewöhnlich früh auf, also kann er dann am 1. August ausschlafen. Dieses kollektive Ausschlafen führt dann dazu, daß Basel am eigentlichen Feiertag völlig ausgestorben wirkt. Ganz anders als an jedem anderen Feiertag oder normalen Sonntag...
Nachtreise - 4. Aug, 19:48
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Kleiner Nachtrag, war längst fällig, ne...

Schön, nich?
Nachtreise - 4. Aug, 19:36
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Auch wenn es unverständlicherweise kaum Eisdielen gibt in der Schweiz, so haben sie hier andere Köstlichkeiten. Nicht einfach nur Schokolade, nein, hier hat jede Confiserie (die kleinen Kiezbäckereien) ihre eigene Spezialität, ihre eigene traditionelle, handgemachte Pralinenkreation. Whiskystängeli bei Krebs, St. Johannskugeln und Rhywägge bei Brandl, diverse Trüffel bei Bachmann und irgendetwas auch sicher bei Brändli und Schiesser, den besten Basler Confiserien. Aber über allen schwebt, auch wenn es die Basler wegen der Feindschaft der Städte nicht gern hören, die Zürcher Confiserie Sprüngli mit ihren Luxemburgerli. Das sind leckere Cremefüllungen zwischen zwei luftig kleinen Makronen. Unglaubliche Mischungen sind dabei, wie exotische Früchte und Lavendel! Der Metal-Freund hatte sie mir bei seinem Besuch bereits empfohlen und vor zwei Tagen habe ich nun die erste 200g Packung in der Abendsonne am Rheinufer essen dürfen.... Mmhh. Uh. Alle hatten ja so recht. Etwas süß und eigentlich keine Schokolade, aber so so lecker!
Nachtreise - 25. Jul, 00:04
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Ein Kinobesuch in der Schweiz ist natürlich schon aus Prinzip anders, als einer in Deutschland. Abgesehen davon, daß man für gewöhnlich viel mehr zahlt (16-18 CHF = 10-12 €) gibt es noch weitere Auffälligkeiten. Die Filme laufen grundsätzlich im Originalton mit Untertiteln, mindestens mit deutschen und französischen, es gibt Gerüchte, man hätte auch schon englischen Originalton kombiniert mit Untertiteln in den vier Landessprachen gesehen, mir selbst jedoch reichen die grundsätzlich zweisprachigen Untertitel völlig aus, zumal auch so schon große Teile des Bildes unter der Schrift verschwinden. Die deutschen Untertitel sind übrigens mit Helvetismen wie Bostitch (Klammeraffe), Entscheid (statt Entscheidung) usw. gespickt. Was positiv auffällt ist die unglaublich kurze Werbeeinblendung vor dem Film. Nicht annähernd 30 min wie ich es aus Berlin kenne. Man ist quasi gezwungen pünktlich zu kommen. Die Werbung selber umfaßt dann sehr viel Diawerbung, also Standbilder mit dem Logo oder dem Schaufenster eines örtlichen Geschäftes ohne bewegte Bilder. Das ist im Gegensatz zur Deutschen Kinowerbung alles aber eher erheiternd als ermüdend. Was mich dann aber richtig erstaunt hat, ist die Unterbrechung im Film. Also auch bei normalen 90 min mit 5 min Werbung voraus wird in den kommerziellen Kinos eine Pause von 10 min eingelegt, um Eis und Popcorn zu kaufen, auf die Toilette zu gehen oder in die Luft zu schauen, bis der zweite Teil beginnt. Das kenne ich nur von Filmen mit enormer Überlänge, wie "Herr der Ringe" o.ä.. Komisch das. Ist aber vermeidbar, wenn man in eines der kleinen Programmkinos geht, deren Spielplan eh interessanter ist.
Meine Empfehlung aus den letzten Abenden: "Mrs. Pettigrew lives for one day". Mit tollen Schauspielern wie Francis Mc Dormand, sehr lustig und melancholisch zugleich, tolle Bilder, ein gelungener Abend. Fragt mich nur nicht, wie der Film in Deutschland heißt. Denn hier werden nur Originaltitel verwendet und: Obwohl hier nicht auf die synchronisierten Fassungen aus Deutschland zurückgegriffen wird und die Untertitelung meiner Meinung nach doch weniger Zeit beanspruchen müßte, sind die Laufzeiten nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Filme laufen bis zu sechs Monate versetzt, mal früher, mal später als in Berlin, aber immer viel kürzer, nur sehr wenige Wochen, so daß man sich sehr hetzen muß, damit man seinen Wunschfilme auch tatsächlich sehen darf.... Freizeit kann soo stressig sein... ;)
Nachtreise - 20. Jul, 10:52
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Wer mich kennt, weiß, daß ich nicht soo der große Fußballfan bin. Ich habe bei der WM in Berlin vor zwei Jahren gelernt, daß es auch eine kultivierte Art gibt, diesen Sport zu schauen und daß das mit Freunden auch Spaß machen kann. Ich habe kein Fähnchen draußen, finde auch die deutschen Fußballspieler nicht irrsinnig sympatisch. In Berlin gehört man damit zur Opposition, was sich immer interessanter anfühlt, als wenn man in der Masse mitschwimmt. Hier aber, beim heutigen Spiel gegen die Türkei wird nur für die Türken gejubelt. Kein Schweizer würde je für den großen Nachbarn bangen, da können die Türken das Jahr über noch so unbeliebt sein, wenn sie gegen die Deutschen spielen, dann bangen die Eidgenossen ebn für die Muselmänner...
Und tatsächlich, die Freudenschreie und Jubelrufe, die man
beim Gang durch die Straßen in der Stadt vernehmen konnte, erfolgten nur nach türkischen Toren...
Ich werde da schließlich doch ein wenig patriotisch und habe mich schon allein wegen der Schweizer Ablehnung gefreut, daß die Türken unterlegen waren. Da frage ich mich, wieso so viele Deutsche in die Basler Fanzonen strömen und in der Stadt ein Fest veranstalten wie die Holländer. Dafür hatte die Schweiz sich, anders als Österreich und der Rest Europas Sonderrechte für alle Übertragungen zusichern lassen und war vom Sendeausfall, der ganz Europa für Sekunden den Atem anhalten ließ, überhaupt nicht betroffen... So mußten die Schweizer den deutschen Sieg ohne Unterbrechung verfolgen, wenn auch die Kommentare des schweizer Moderators immer wieder seine Ablehnung der deutschen Mannschaft verdeutlichten. Da muß man irgendwann auch als Deutscher einfach Nationalstolz entwickeln, oder?
Nachtreise - 25. Jun, 23:59
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Wie Ihr bereits wißt klauen die Schweizer nicht, sie betrügen und mogeln auch nicht, sie sind grundehrliche Zeitgenossen. Dieser Annahme folgen auch die Ämter und öffentlichen Einrichtungen.
Heute erhalte ich einen Brief aus Deutschland. Auf seiner Vorderseite ist eine schlichte Postkarte aufgeklebt mit der Adresse der Schweizerischen Post in Basel/Abteilung Taxdienst, darauf lese ich folgenden Text:
"Sehr geehrte Kundin 609
Sehr geehrter Kunde
Die beiliegende Sendung wurde ungenügend frankiert aufgegeben oder ohne neue Frankatur von einer Drittperson an Sie weitergeleitet. Um Ihnen Umtriebe zu ersparen und eine Verspätung der Sendung zu vermeiden, stellen wir sie Ihnen zu und bitten Sie, hiernach die fehlende Frankatur
CHF 1,60
in Briefmarken aufzukleben und uns diese Karte zurückzusenden.
Vielen Dank im Voraus.
Freundliche Grüsse
Ausl. Brief"
Das ganze in drei der vier Landessprachen, im Französischen und Italienischen mit besserer Zeichensetzung.
Meine Favoriten in diesem Text: "Frankatur" und "hiernach", und vor allem "Um Ihnen Umtriebe zu ersparen"... Dass sich die Post in mein Nachtleben einmischt, nein sowas...
Nachtreise - 13. Jun, 18:57
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