Dienstag, 8. Dezember 2009

Helvetismen - Substantive Nachtrag

Da sitzen wir also neulich mit unserer Theaterabogruppe (3 Deutsche auf 10 Schweizer) am vergangenen Mäntig nach der Oper bei einem Panasché (Alster) oder einer Stange (Bier) beisammen und besprechen den Abstimmungsausgang am Tag zuvor.
Als ich sage, wir hätten zu viert Plätzchen gebacken, bricht ausgerechnet die Schweizerin, welche gerade einen Buchladen eröffnet hat (www.nasobem.ch), in großes Gelächter aus. Wir würden immer soo lustige Worte verwenden: Plätzchen! Wie komisch!
Die Schweizer sagen übrigens Guetzli (Achtung: U+E wieder als wahren Diphton trennen). Ein sehr ernstes Wort, oder?

Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich für die typischen Schweizer Brunsli auch einen so lustigen deutschen Namen hätte... Braunchen vielleicht?

Eine ganz neue Erfahrung, dass mein Hochdeutsch als witzig betrachtet wird.
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Montag, 7. Dezember 2009

...

Ich wundere mich über mich selbst. Das Schneechaos in der Schweiz nur 50 km von Basel entfernt hat sich hier gar nicht ausgewirkt. 10°C und leichter Regen. Das ist alles. Ich habe die Heizung wieder abgestellt. Es ist zu warm.
Trotzdem, ich trinke Tee, die selbstgebackenen Plätzchen (mehrheitlich nach traditionellen deutschen Rezepten) vom 1. Advent locken, festliche Musik und Weihnachtsschmuck. In diesem Jahr komme ich auch ohne Frost und Schnee in Weihnachtsstimmung. Nichts in uns scheint tatächlich endgültig programmiert zu sein. Der Mensch gewöhnt sich anscheinend an die meisten Dinge und kann sie auch für sich selbst annehmen.
Und doch freue ich mich schon auf ein frostiges klares Weihnachtswetter in Berlin!
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Freitag, 4. Dezember 2009

Von Kirchtürmen und Minaretten

Am vergangenen Sonntag hat das Schweizer Stimmvolk einmal mehr abgestimmt. Doch die Stimmen wollen nicht verklingen. Die SVP hatte eine Initiative zur Abstimmung gebracht, nach welcher der Bau von Minaretten in der Schweiz bundesweit verboten werden sollte. Schon die Plakatwerbung hierfür war von der Menschenrechtskommission gerügt worden. Ein Teppich auf welchem Minarette wie Raketen nebeneinander stehen, im Vordergrund eine Frau, die von einer Burka komplett verhüllt ist. Oder: ein raketenartiges Minarett, welches die schweizer Landkarte durchbohrt und zerstört. Diese Art von politischer Werbung in Form von Piktogrammen an sich ist jedes Mal aufs neue ein Unding. Es ist irgendwie spannender als die immer gleich lächelnden Konterfeis der Politiker zu sehen, die Verkürzung der Inhalte auf ein Bild ist aber schlimmer als jede Polemik es sein könnte. Die Schweizer haben diese Initiative mehrheitlich mit 57 % angenommen.
Einzige Ausnahme die Kantone Genf, Neuchatel, Basel und Waadt, eher städtische Kantone in der Westschweiz. Selbst in Zürich wurde die Initiative, wenn auch knapp, angenommen. Die Schweizer Regierung hatte als Empfehlung die Ablehnung dieser Initiative ausgegeben. Nun muss sie die Weltöffentlichkeit wieder versöhnen. Libyen hat, auch im Zuge der schon länger andauernden Krise seiner bilateralen Beziehungen zur Schweiz, bei der Uno beantragt, deren Hauptsitz von Genf wegzuverlegen, da die Schweiz für die muslimischen Länder kein neutraler Boden mehr sei.
Natürlich haben die Schweizer den Bau von Minaretten mit der Unterstützung islamistischer Fundamentalisten verwechselt, die Frage der Stunde sollte also lauten, bis wohin ist Basisdemokratie sinnvoll? Wir Deutschen schauen immer neidisch auf dieses Recht der Schweizer und ich bin nicht sicher, wie man diese Frage in Deutschland beantworten würde.

Gleichzeitig wurde über ein Verbot des Exportes von Kriegsmaterial abgestimmt. Plakate mit einem vielleicht bald arbeitslosem Fliessbandarbeiter in einer Waffenfabrik haben die Schweizer zugunsten der Exporte und gegen ihr Verbot stimmen lassen. Hier waren sich bis auf Lausanne alle Abstimmungsbezirke einig.

Ein Sonntag mit zwei zeichenhaft lesbaren Abstimmungsergebnissen, die sicherlich nicht jedem gefallen. Ist nicht allein die Möglichkeit über solch sensible Fragen abzustimmen schon der Fehler?
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Mittwoch, 25. November 2009

Kuh-Watching

Ah ja. In der deutschen Hauptstadt kann man sich als degenerierter, vom Lebenskreislauf entwöhnter Städter endlich Kühe im Stadtzentrum anschauen. Einen Artikel dazu gibt es hier.

In der Schweiz gibt es auch viele Tiere, die von den Einheimischen "Kühe" genannt werden. Nur sehen sie gar nicht so aus, denn sie sind in der Regel nicht schwarz-weiß sondern braun. Das sind dann wohl eher Pferde, oder?
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Montag, 9. November 2009

Seltsam

Heute vor 20 Jahren gegen 19.30 Uhr haben meine Mutter und ich nach dem Abendbrot den Fernseher angeschaltet, um des Vaters mikrophonhaltende Hand mit dem goldenen Ring in einer Pressekonferenz zu sehen. Während ich also fröhlich die Hand suchte, lauschte meine Mutter etwas interessierter, was Herr Schabowski zu sagen hatte. Und dann hörte auch ich hin, als nach einer merkwürdigen Äusserung ein westdeutscher Kollege meines Vaters direkt nachfragte und ein unsicheres "Ja" die Antwort war. Es war dunkel im Wohnzimmer, nur der Fernseher leuchtete bläulich bräunlich und wir waren ganz still.
Es war nicht ganz eindeutig, was da gesagt worden war. Die Nachrichten aus dem anderen Deutschland um 20.00 waren auch nicht klarer. Mein Vater, der dabei war, konnte nach seiner Rückkehr auch nichts genaueres sagen.
Es war Donnerstag und am darauffolgenden Freitag eine merkwürdige Stimmung in der Schule. Als ich am Samstag zur Schule ging, fehlten bereits einige Schüler in der Klasse, bei meiner Schwester waren nur einige gekommen, in anderen Schulen fehlten sogar die Lehrer. Spätestens da war es jedem klar, dass die zahlreichen Vorbeben dieses Herbstes in ein Erdbeben gemündet waren, welches dem ganzen Staat den Boden unter den Füssen fortriss. Ganz Berlin war an diesem Tag auf den Beinen, meine Familie auf dem Weg von Köpenick nach Steglitz, eine Freundin meiner Mutter besuchend. Berlin war noch geteilt, keine Verkehrsmittel fuhren über diese Grenze, den entscheidenden Schritt musste man noch wochenlang zu Fuss machen. Bis plötzlich wieder Züge auf der Stadtbahn fuhren, sich die Erde auftat und klar wurde, dass unter der Stadt jahrelang U-Bahnen fuhren, die hier in meinem Teil nicht hielten, durch Bahnhöfe, die noch im Zustand der Kriegszeiten waren, deren Eingänge einfach verschlossen worden waren und für uns hier lebende unsichtbar.
Nicht nur, weil ich Teenager war, war das kommende Jahr eines der aufregendsten in meinem Leben. Ich werde nie vergessen, dass alles vergänglich ist und wie leicht und schnell alle Autoritäten und Ideale in den Abgrund gestossen wurden, wie Denkmäler ausgetauscht und Strassennamen geändert wurden. Ich werde mich immer erinnern, wie plötzlich Phänomene wie Existenzangst und Armut umgriffen, wie wir als Familie in wenigen Jahren nahezu ganz Europa bereisten und wie meine Stadt sich verdoppelte und veränderte, von einer Aussenstelle der BRD und einer relativ unbedeutenden Hauptstadt eines kleinen Landes wieder zur gemeinsamen deutschen Hauptstadt wurde.
Diese Erlebnisse in den Schweizer Nachrichten zusammengefasst zu sehen, zu kleinen Teilsätzen Assoziationen zu haben, die anderen wohl für immer verschlossen bleiben, das ist seltsam.
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Es hat ein Ende

Seit über einem Monat nur Sechs-Tage-Wochen, die Geburtstagsfeier des Museums und Tag der offenen Tür, verschiedene Sonderveranstaltungen und alles in meiner Verantwortung! Jetzt ist alles gut über die Bühne gegangen, ich bin zwar zu müde, um glücklich zu sein, aber ich bin weder krank noch gefeuert. Ab dem übernächsten Wochenende werden es wieder zwei freie Tage pro Woche werden und ich freue mich so sehr darüber, dass ich mir heute eine Belohnung zugelegt habe.
Ich war in einem der kleinen Handschuhgeschäfte in Basel und habe mir Ersatz gekauft für die, welche ich von meiner Mutter bekam und die ich im letzten Winter in einer Bank habe liegenlassen. Mit persönlicher Bedienung, geschultem Blick auf meine Hände und Anprobehilfe (man kann anscheinend aus nahezu allem eine Show machen) habe ich genau gefunden, was ich wollte: Handschuhe, die die Hände nicht grösser erscheinen lassen, als den Kopf mit unauffälligen Nähten und nicht tailliert am Handgelenk. Ich glaube, nur eine Massanfertigung könnte besser sein. "Handschuhe seit 1865" - das ist ein Teil von dem, was ich an Basel mag, diese ungebrochene Tradition. Ein Berliner Geschäft, welches so lange überdauert hat, muss einem per se suspekt sein.
Manchmal, wenn es einen guten Grund gibt - auch wenn es nahezu dekandet wird, macht Einkaufen eben auch Spass...
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Mittwoch, 4. November 2009

Noch 50 Tage

Wie in jedem Jahr in Basel bin ich schockiert über den weihnachtlichen Eifer der selbsternannten Weihnachtsstadt der Schweiz. Ich habe heute auf jeder Seite der Mittleren Bücke je einen Weihnachtsbaum gesehen! Seit wann sie da stehen, kann ich nicht sagen, aber dass sie überhaupt heute schon dort stehen, ist erstaunlich genug! Meiner Meinung nach schmückt man erst nach Totensonntag und mal ganz grundsätzlich: Es sind noch 50 Tage bis Heilig Abend!
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Samstag, 31. Oktober 2009

Wahlgänge

Über meine viele Arbeit momentan hab ich vergessen, ein bedeutsames Ereignis hier zu vermelden. Bedeutsam insofern, als dass es zum Teil für deutsche Staatsbürger unverständlich ist. Während die Deutschen am 27. September eine Wahl entschieden, nach welcher eine ostdeutsche Frau zur Bundeskanzlerin, ein Homosexueller zum Außenminister und ein Rollstuhlfahrer zum Finanzminister wurden (was eine nicht zu verachtende Progressivität zeigt), während also die Deutschen zur Wahlurne schritten, taten dies auch die Schweizer. Die vierteljährliche Volksabstimmung behandelte unter anderem die Mehrwertsteuer. Die Schweizer habe an diesem Tag per Abstimmung die Mehrwertsteuer für den Zeitraum 2011 bis 2017 von bisher 7,6% auf 8% angehoben, um die Finanzierung der Invalidenrente zu sichern. Sie haben sich selbst aus freien Stücken für einen höheren Steuersatz entschieden!
Würden Deutsche je so vernünftig entscheiden?
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Freitag, 30. Oktober 2009

Assimiliert

Letztes Wochenende habe ich trotz meines Dauerstresses im Museum die Einladung zum Ex-Mitbewohner angenommen und war auf seiner Bachelor-Party (Nein, er heiratet nicht, er hat sein Studium beendet). Während also der Abend in angenehmer Gesellschaft aus bereits bekannten und ein paar neuen Gesichtern sich fröhlich entwickelte und in angeregte Diskussionen mündete, wurde mir schlagartig eine Tatsache klar: Der Chorfreund und ich waren die einzigen Deutschen auf dieser Party! Ansonsten nur Schweizer, die auch mit uns nur Mundart sprachen. In jedem Ratgeber für Deutsche Einwanderer in die Schweiz steht es geschrieben: Sollten Sie jemals Zutritt in die Wohnräume eines Schweizers haben und seinen Freunden vorgestellt werden, bedeutet dies den Ritterschlag!Dem nach kann ich nur sagen Ich habe es geschafft! (und nicht zum erstenmal...) :)
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Berlin, Basel und ich

Ein Berliner in der Fremde

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