Ein ruhiger Sonntag in Basel. Trotz letztem Tag der ART ein überraschend freier Tag für mich. Und endlich mal nicht arbeiten sondern meine zweite Heimatstadt erleben. Der Chorfreund und ich haben viel Ausstellungen noch nicht gesehen und beschließen einen Kultursonntag einzulegen.
Basel ist heute abwechselnd windig und sonnig, wie am Meer (das mir zuweilen so fehlt). Zuerst geht's zum Haus am Kirschgarten, in dem die Fabiola-Ausstellung noch ungesehen ist. Die immer gleichen Kopien eines Gemäldes einer italienischen Heiligen im Historischen Museum für bürgerliche Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts eingeschmuggelt. Eine Suche die spannend ist, denn selbst im Puppenhaus findet sich eine Miniaturfabiola... Was ist ein Abbild? Gibt es das wahre Abbild überhaupt? Wie war das noch mit dem Bilderverbot bei den frühen Christen?
Dann haben wir uns eine Pause im nahegelegenen, neueröffneten Kulturcafé an der Elisabethenstraße verdient. In Liegestühlen sitzt man vor dem einst als Totenhaus genutzten Gebäude im ehemaligen Friedhof und genießt die Sonne und die hügelige Parkanlage, die die umgebenden Straßen und die Stadt fast verschwinden läßt. Christ und Gantenbein haben diesen Bau fein modernisiert und einen schönen neuen Ort in Basel geschaffen. Das Café Kuss. Aber, typisch Schweiz, es gibt keinen Kuchen am Sonntagnachmittag. Der Kellner schmunzelt auf meine Frage hin und sagt, sie hätten nur salzige Sachen.. Nach der Ralf-König-Ausstellung im Cartoonmuseum treffen wir Schweizer Freunde im St. Albantal auf dem Art-Parcours, der vorhandene Ort zugänglich macht, indem dort Kunstwerke installiert und gezeigt werden. Auch Sie belächeln uns. Kuchen am Sonntagnachmittag? Wie unglaublich deutsch!
Verlange ich zuviel?
Nachtreise - 19. Jun, 19:47
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... ist das kein leichter Job. Die 42. ART Basel hat am Dienstag (14.06.) eröffnet und dauert noch bis zum morgigen Sonntag an. Unsere Besucher sind internationaler als ohnehin, sie sind bunter und schöner, interessanter und eigenwilliger und vor allem sind sie eines: Sie sind durchweg keine gewöhnlichen Besucher. Sie sind gewohnt an ihre Wichtigkeit, sie sind Vortritt und Sonderbehandlung gewohnt, nie müssen sie sich anstellen, nie warten oder verzichten.
Das mag funktionieren, wenn sie die einzigen Ihrer Art sind. Übers Jahr hinweg gibt es unzählige VIPs im Haus, spontan oder angemeldet. Alles ist machbar und kann mit persönlicher Betreuung, Erfrischungen und Charme zu einem exclusiven Erlebnis gesteigert werden.
Kommen aber Hundertschaften von Promis und VIPs kann man beim besten Willen keine Abstufungen mehr machen. Wer soll zuerst seinen Willen haben, die reiche Witwe aus New York, das Filmsternchen, der Direktor von Museum A oder der Kurator von Museum B? In diese Schlange müssen sich alle einreihen. Tut mir leid.
Die ART Basel ist als Kunstmesse ein Ereignis, macht Basel schillernd und zum Hot Spot. Man möchte frei nehmen, um die Stadt im Fieber der Messe mit all ihren Paradiesvögeln zu genießen. Am Tag ist es die anstrengendste Arbeitswoche im Museumsjahr, am Abend dann die zahllosen Vernissagen und Messen und Ausstellungen machen sie zur spannendsten Woche des Jahres. Die Woche ist nicht zu stemmen. Kommende Woche schlafe ich dann einfach nur noch...
Nachtreise - 18. Jun, 18:43
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Deutschland ist seit Wochen in Aufruhr. Spanische Gurken? Tomaten? Blattsalat? Nun sollen es Sprossen sein... Jeden Tag sterben Menschen an diesem aggressiven Bakterium. In Deutschland wohlgemerkt.
Das Schweizer Fernsehen weist regelmäßig auf die gute Qualität der hiesigen Produkte hin und daß den Einwohnern dieses Landes kein Unwohl drohe.
Vielleicht hat es sein Gutes, sich gegen die Globalisierung zu sträuben. Aber genauer hingeschaut zählt die Schweiz stets zu den im höchsten Maße globalisierten Ländern (Maßstäbe sind zum Beispiel Familienmitglieder im Ausland, Einwandererzahlen u.ä.m.) und erhält regelmäßig Plätze vor Deutschland. Darauf ist man stolz.
Der Deutsche in der Schweiz (ich zum Beispiel) fragt sich, wer es besser hat. Die Schweizer, die in dieser Situation beruhigter leben, weil die Medien Ihnen ständig die Sicherheit der eigenen Lebensmittel garantieren oder die Deutschen, die mit zum Teil voreiligen Information durch die Behörden in immer neue Unruhe versetzt werden.
Ich für meinen Teil bin dann mal in Paris...
Nachtreise - 10. Jun, 23:07
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Deutschland, Deutschland, Deine Politiker entscheiden wohl nur noch aus Kalkül, die Wählergunst zu erlangen.
Der von der rot-grünen Regierung im Jahr 2000 beschlossene Atomausstieg war ein Zeichen, ein leuchtendes Vorbild! Dann im November 2010 "krebst" die schwarz-gelbe Regierung zurück und weicht diesen Beschluss auf.
Peinlicherweise kommen die Erdbeben in Japan mit Tsunami und der Kernschmelze in Fukushima fünf Monate später im März diesen Jahres dazwischen.
Und nun doch: Atomausstieg bis 2022. Nur eine knappe Woche später als die Schweizer Regierung und mit einem 12 Jahre früheren Abschaltdatum. Ein Grund zur Freude?
In jedem Fall keine verbesserte Glaubwürdigkeit.
Eine Regierung, die nicht zu Ihrem Wort steht und zudem Betrüger wie Guttenberg in den eigenen Reihen schützt, anstatt sich klar von Unrecht zu distanzieren und einen eindeutig am Wohl der Nation ausgerichteten Kurs zu fahren, ist weder Vorbild noch irgend einer Unterstützung würdig, so sehr mich die erneut eingeschlagene Richtung auch freuen mag.
Nachtreise - 31. Mai, 01:39
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Am vergangenen Freitag eröffnete in Basel auf dem Dreispitzareal, einem ehemaligen Industriegelände, die Oslo 8. Dabei handelt es sich um ein vormals industriell genutztes Gebäude, in welchem nun Dank dem Engagement der Christoph Merian Stiftung die Kultur zuhause ist. Das Haus der elektronischen Künste, Ausstellungsräume, eine Galerie für Photographie und Künstlerateliers. Über eine Kollegin, die als Artist in Residence ausstellen durfte, und eine weitere, die als Bühnenbildnerin eines der Ateliers bezogen hat, bin ich dort gewesen.
Welch ein Ort! Perfekt sanierte Bausubstanz, ein neuer Estrichboden, den man immerfort nur streicheln möchte, neue Fenster und Türen, neue sanitäre Anlagen, sogar Duschen und Behindertentoiletten und Lastenaufzüge. Es gab life Performances, Musik, Ansprachen und Apéro und natürlich viel Kunstvolk. Aber eine merkwürdige Atmosphäre. Alles doch recht satt und gesettelt. Die Künstler zahlen 500 CHF für ein kleines Atelier, für die großen entsprechend mehr. Das ist ein subventionierter Preis! Und überall diese bauliche Perfektion, diese typische Schweizer Überregulierung. Wenn ich an die Kreativen in Berlin denke, da genügte preiswerter Raum, diese Menschen anzuziehen, sie haben aus eigener Kraft etwas geschaffen, verändert und verbessert. Sie mußten nur gelassen werden. Hier wiederum dieses recht großzügige Angebot, welches ohne die Künstler entsteht und mit weißen Wänden und so gänzlich ohne eine Begrünung im Außenraum auskommt. Merkwürdige Überlegungen über Kreativität und ihre mögliche Förderung befallen mich. Das Umfeld muß kreativ sein, spannend und anregend. In sofern ist es gut, dieses Angebot zu schaffen, wo die Kreativen sich gegenseitig befördern und inspirieren können, aber muß es so perfekt sein? Ist nicht ein wenig mehr Freiraum eine Qualität, die Kräfte freisetzt und anregt?
Tags darauf hat eine andere Kollegin einen Tag der offenen Tür in ihrem Atelier im Aichelepark in Lörrach. Eine alte Remise in einem wundervollen Park neben der Villa Aichele. Vier Künstler, die in Eigenregie das Gebäude gefunden und von der Stadt gemietet haben. Jeder hat nach eigenem Bedarf die ehemaligen Garagen und Bedienstetenwohnungen in der malerisch verfallenen Fachwerkgebäude für seinen bedarf ausgebaut und etwas geschaffen. Die Stadt hat nur den Raum zu einem günstigen Preis überlassen. Behindertentoiletten und Lastenaufzüge gibt es nicht, auch eine funktionstüchtige Heizung habe ich nicht gesehen.Unterschiedlichste Räume mit Türmchen, Sprossenfenstern, großen öffenbaren Garagentüren zum beinahe im Freien arbeiten. Alles etwas improvisiert, alles zwischen Verfall und Aufbruch. Man spürt die geballte Kraft der vier, man möchte mittun und Wände streichen. Man spürt das pralle Leben.
Nachtreise - 28. Mai, 19:57
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Ein wichtiger Tag für Basel. Der Schweizer Bundesrat hat es heute beschlossen: Die Schweiz steigt schrittweise aus der Atomenergie aus. Ein historischer Beschluss. Immerhin hat kein anderes Land bisher den Atomausstieg geschafft, nachdem Deutschland seinen ehemals beschlossenen Atomaustieg aufgeweicht hat, gibt es keine Erfahrungen, auf die die Schweiz sich stützen kann. Das ist ungewöhnlich. Immerhin wartet man hierzulande gern ab und schaut sich die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten andernorts an, um die beste auszusuchen. Außerdem sind fast 40 % der Energie in der Schweiz über Atomkraftwerke bereitgestellt. Das ist weit mehr als in Deutschland, wo die Kernenergie nur einen Anteil von 12 % ausmacht. Trotzdem, die Schweizer Atomkraftwerke sollen ihre Laufzeit ausschöpfen und bis 2034 ist das letzte eidgenössische Atomkraftwerk abgeschaltet. Der Verbrauch soll gesenkt werden oder zumindest auf gleichem Niveau bleiben, man rechnet mit höheren Stromkosten für die Verbraucher und muss noch den Entscheid des Parlamentes abwarten. Basels Stromanbieter IWB bietet keinen Atomstrom an. Basel fühlt sich seit Jahren als Vorzeigekanton für alternative Energien, seit die Bevölkerung hier 1975 in einer spektakulären Besetzung der Baustelle den Bau eines Atomkraftwerkes verhindert hat. Und heute? Heute schreibt die Basler Stadtregierung an Angela Merkel und Nikolas Sarkozy, um die Abschaltung des Atomkraftwerkes im elsässischen Fessenheim zu fordern. Dieses steht in der Erdbebenregion nur 40 km von Basel entfernt.
Ein klein wenig stolz kann man sein. Immerhin, man hat zahlreichen Demonstrationen am Wochenende mit diesem Entscheid des Bundesrates stattgegeben. Auch die Chaos-WG bei mir im Erdgeschoss hat mitdemonstriert und organisiert und zahlreiche Luftballons in der Waschküche in Wasserbomben umgewandelt. Eine mittlere Überschwemmung war die Folge. Aber ich trage es gelassen, denn dieser Einsatz hat sich anscheinend gelohnt.
Und zudem wurde der Basler Fußballclub (FCB 1893) heute zum 14. Mal Schweizer Meister und hat somit seinen Titel verteidigt und sich für die Championsleague qualifiziert.
Welch ein Tag für Basel!
Nachtreise - 25. Mai, 21:53
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Seit 2006 war die Schweiz nicht einmal im Finale vertreten trotz hierzulande sehr bekannter Interpreten wie DJ Bobo oder den Lovebugs oder Michael von der Heide.
Nun kommt eine sogenannte Straßenmusikanten aus dem Basler Stadtteil St. Johann (mein Viertel) und erreicht dieses Ziel zunächst spielend. Die Schweiz darf im Eurovision Song Contest am Samstag antreten. Reportagen und Homestories hat es gegeben, schon lange vor dem Halbfinale. Die Schweizer durften sich dieses Mal nach all den abgesägten nationalen Größen im Internet als Interpreten für den Grand Prix de la Chanson bewerben. Und - typisch Schweiz -auch im Internet abstimmen, wer die Schweiz in Düsseldorf vertreten soll. Die zwölf besten wurden in einer großen Fernsehshow (dreisprachig moderiert und kommentiert) gezeigt und von einer Jury mündlich bewertet. Dann durften die Zuschauer anrufen und noch einmal abstimmen. Anna Rossinelli ist basisdemokratisch zur musikkulturellen Vertretung der Helvetischen Republik bestimmt worden und hat den ersten Auftrag also bereits erledigt. Die Schweizer können bei der großen Finalshow mitfiebern.
Zweimal haben die Eidgenossen gewonnen, wie seit letztem Jahr die Deutschen auch. Lena und Anna Rossinelli sind recht ähnlich, sympathisch und schlicht. Wem soll ich da nur die Daumen drücken (oder halten, wie die Schweizer sagen)? Lokalpatriotismus oder Patriotismus?
Wir Migranten werden es immer schwer haben...
Nachtreise - 11. Mai, 19:08
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Als kürzlich ein Datenschützer gegen Google einen Prozess gewonnen hat, konnte ich wieder ein neues Schweizer Verb lernen, welches ich auf Anhieb gut verstanden habe, ein Verb, für welches ich sogar Schwierigkeiten hatte, ein Hochdeutsches Equivalent zu finden: Bodigen.
Der Ankläger hatte den großen Konzern gebodigt.
Toll, oder? Zu Fall gebracht, vom hohen Roß gestoßen. Ein großartiges Verb: Bodigen.
Nachtreise - 8. Mai, 14:04
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